13.10.2010 -

„Es stellt eine unangemessene unsachliche Einflussnahme auf die ärztliche Behandlungstätigkeit dar, wenn durch das Gewähren oder Inaussichtstellen eines finanziellen Vorteils darauf hingewirkt wird, dass Ärzte entgegen ihren Pflichten aus dem Behandlungsvertrag und dem Berufsrecht nicht allein anhand des Patienteninteresses entscheiden, ob sie einen Patienten an bestimmte Anbieter gesundheitlicher Leistungen verweisen.“

Hatte die Entscheidung desselben Senats des Bundesgerichtshofs vom 09.07.2009 („Brillenversorgung I“) eine Klage der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs gegen einen Augenarzt zum Gegenstand, ist Beklagte dieser aktuellen Folgeentscheidung ein Unternehmen, das Brillen vertreibt. Sie stellt Augenärzten ein Brillensortiment und ein Computersystem zur individuellen Brillenanpassung zur Verfügung. Nach Eingabe der Patientendaten und der Auswahl eines bestimmten Gestells in der Augenarztpraxis übermittelt diese die Informationen an die Beklagte. Bestellt der Patient bei der Beklagten eine Brille, erhält der Augenarzt eine Vergütung von 80 €, bei Mehrstärkenbrillen von 160 €.

Die vom Landgericht abgewiesene Klage hatte bereits in der Berufungsinstanz Erfolg. Der Bundesgerichtshof bestätigt diese Entscheidung. Die Werbung der Beklagten sei bereits deshalb wettbewerbswidrig, weil sie geeignet sei, die Entscheidungsfreiheit der Augenärzte durch unangemessenen unsachlichen Einfluss zu beeinträchtigen. Die zusätzliche Verdienstmöglichkeit von 80 bzw. 160 € setzte einen Anreiz dafür, dass die Augenärzte nicht allein anhand des Patienteninteressen entscheiden, ob sie den verkürzten Versorgungsweg empfehlen. Naheliegende Folge des Konzeptes der Beklagten sei, dass es zu Verstößen gegen das ärztliche Berufsrecht motiviere. Nach der Berufsordnung dürfen Ärzte ihre Patienten nicht ohne hinreichenden Grund an bestimmte Anbieter gesundheitlicher Leistungen verweisen. Hiermit sei die generelle Verweisung an einen bestimmten Optiker unvereinbart. Auch sei es Ärzten untersagt, im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit Waren und andere Gegenstände abzugeben oder unter ihrer Mitwirkung abgeben zu lassen. Auch gegen dieses Verbot verstoße der regelhafte Verweis auf die Beklagte. Anpassung und Abgabe der Brille gehörten regelmäßig nicht zu den notwendigen Bestandteilen augenärztlicher Therapie. Die Grundsätze der Zulässigkeit des verkürzten Versorgungsweges bei Hörgeräten seien nicht übertragbar.

Mit diesem Urteil setzt der Wettbewerbssenat des Bundesgerichtshofs seine Rechtssprechungslinie, ärztliches Handeln von kommerziellen Einflüssen frei zu halten, konsequent fort. Berücksichtigt man, dass der durchschnittliche Fallwert, mit dem der gesamte konservative Behandlungsaufwand, den ein Augenarzt im Quartal für einen gesetzlich versicherten Patienten entfaltet, abgegolten wird, bundesweit unter 30 € liegt, so wird die Richtigkeit der Entscheidung offenkundig. Die Freiheit des ärztlichen Handelns von sachwidrigen ökonomischen Einflüssen stellt einen zentralen Wert dar, dessen konsequente Verteidigung sowohl im Interesse der Patientenschaft als auch im wohlverstandenen Interesse der Ärzteschaft liegt.

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Dr. Reiner Schäfer-Gölz
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