Das Versichern eines Porsche ist für ein Versicherungsunternehmen ein lukratives und somit ein auf dem Markt umkämpftes Geschäft. In einem Urteil vom 8. November 2001 (I ZR 124/99 ) hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass das von einem Versicherungsunternehmen Porsche-Fahrern unterbreitete Angebot, bei einem Wechsel zu diesem Versicherer im ersten Versicherungsjahr im Falle eines Kaskoschadens die Kosten für ein Mietfahrzeug der Mittelklasse bis zur Dauer von sieben Tagen zu erstatten, kein unlauteres Abwerben von Kunden darstellt.

 

Sachverhalt:

Die Parteien sind auf dem Gebiet der Kraftfahrzeugversicherung Wettbewerber. Der Beklagte lässt seine Versicherungsleistungen u.a. von der P. GmbH vermitteln, welche sich im April 1997 in einem Rundschreiben an Porsche-Fahrer wandte und ihnen dabei den Abschluss eines Versicherungsvertrages bei dem Beklagten anbot.

 

Mit Schreiben vom 30. Oktober 1997 informierte die P.-GmbH die Vertriebsstellen der P. AG darüber, dass der Beklagte im Nachgang zum Schreiben vom April 1997 im November 1997 nochmals 3.500 Interessenten anschreiben werde, die auf die erste Werbeaktion vom April 1997 reagiert hätten. Anfang November 1997 versandte dann aber nicht – wie in dem Schreiben vom 30. Oktober 1997 angekündigt – der Beklagte, sondern die P.-GmbH ein Werbeschreiben an die 3.500 interessierten Porsche-Fahrer, die auf die erste Werbebriefaktion vom April 1997 reagiert hatten, das u.a. folgenden Wortlaut hatte:

 

Ihr persönliches Angebot  (…)

Bereits heute nutzen über 6.000 Porsche-Fahrer die günstigen Tarife des P.-Versicherungsdienstes. Zur Zeit wird bereits jeder dritte in Deutschland zugelassene Porsche-Neuwagen über uns, in Zusammenarbeit mit unserem Kooperationspartner, dem H., versichert. (…)

 

PS: Exklusiv für Sie! Entscheiden Sie sich bis zum 30.11.1997 für uns und wir halten Sie auch im Falle eines Kaskoschadens innerhalb der ersten zwölf Monate mobil.

 

Die Klägerin hat die Werbung in dem Rundschreiben von Anfang November 1997 insbesondere wegen Verstoßes gegen § 1 UWG unter den Gesichtspunkten des übertriebenen Anlockens und der Erlangung eines Vorsprungs durch Rechtsbruch als wettbewerbswidrig angesehen. Darüber hinaus hat sie in der beanstandeten Werbeaktion einen Verstoß gegen Vorschriften des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung erblickt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung ist erfolglos geblieben.

 

Die Entscheidung:

Der BGH hat die Revision mit der Begründung zurückgewiesen, der Beklagte habe mit seinem Leistungsangebot, Versicherungsnehmern im Falle eines Kaskoschadens im ersten Jahr seit Versicherungsbeginn für eine begrenzte Zeit die Kosten für einen Mietwagen zu erstatten, weder gegen § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des unlauteren übertriebenen Anlockens verstoßen, noch könne von einem unlauteren Einbrechen in fremde Vertragsbeziehungen ausgegangen werden. Zu Recht habe zudem das Berufungsgericht einen Verstoß gegen das Rabattgesetz – was für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch von Bedeutung sein könnte – verneint. Somit habe der Beklagte durch sein Verhalten nicht den Wettbewerb gestört und sei deshalb weder zur Unterlassung noch zum Schadensersatz verpflichtet.

 

Zur Begründung führen die Richter im einzelnen aus:

 

1.       Ein Anspruch auf den Fortbestand eines einmal begründeten Vertragsverhältnisses besteht aus wettbewerbsrechtlicher Sicht grundsätzlich nicht. Der Kundenkreis ist kein geschütztes Rechtsgut. Der Kaufmann muss mit einer Kündigung seiner Kunden und dem Wettbewerb seiner Mitbewerber rechnen. Das Abwerben von Kunden gehört zum Wesen des Wettbewerbs, auch wenn die Kunden noch an den Mitbewerber gebunden sind  Das Bestimmen zu ordnungsgemäßer Vertragsauflösung unter Beachtung der gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfristen ist daher wettbewerbsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden. Wettbewerbswidrig wird ein Einbrechen in fremde Vertragsbeziehungen erst dann, wenn besondere Unlauterkeitsumstände hinzutreten.

 

2.        Auch ein zielbewusstes und systematisches Ausspannen von Kunden ( hier gezielte Wiederholungswerbung gegenüber den 3500 Haltern) ist für sich allein kein besonderer Grund, der die Sittenwidrigkeit einer Abwerbung begründet. Es ist legitim und liegt im Wesen des Wettbewerbs, dass ein Kaufmann, der neue Kunden zu gewinnen sucht, dabei planmäßig und systematisch vorgeht. Planmäßigkeit des Handelns ist daher grundsätzlich kein Kriterium der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung

 

3.        Die Leistung von Kündigungshilfe (hier Hinweis, dass bestehende Versicherungsverträge noch bis zum 30. November 1997 gekündigt werden könnten) durch bloße Hinweise auf Notwendigkeit, Frist und Form einer Kündigung ist grundsätzlich wettbewerbskonform. Erst der Einsatz von unlauteren Mitteln, die insbesondere in der Herabsetzung des Mitbewerbers und seiner Leistung sowie in einer Irreführung des umworbenen potentiellen Kunden bestehen können, führt zur Sittenwidrigkeit einer Abwerbungsmaßnahme. Solche Unlauterkeitsumstände liegen im Streitfall nicht darin, dass der Hinweis enthalten war: „Exklusiv für Sie! Entscheiden Sie sich bis zum 30.11.1997 für uns und wir halten Sie auch im Falle eines Kaskoschadens innerhalb der ersten zwölf Monate mobil“. Die Leistungen der Mitbewerber des Beklagten finden in dem genannten Rundschreiben keine Erwähnung, so dass in bezug auf deren Angebote weder unwahre noch herabsetzende Aussagen getroffen werden.

 

4.        Die Benutzung von Lockmitteln für einen Wechsel des Versicherungsunternehmens (hier die zeitlich begrenzte Mietwagenstellung bei einem Kaskoschaden unter Betonung des Exklusiv-Charakters) rechtfertigt vorliegend auch nicht die Annahme eines unlauteren übertriebenen Anlockens. Die Anlockwirkung, die von einem günstigen Angebot ausgeht, ist als solche nicht sittenwidrig, sondern eine gewollte Folge des Leistungswettbewerbs  Sie wird erst unlauter, wenn das Angebot so gestaltet ist, dass der Kunde „gleichsam magnetisch“ angezogen und in seiner Entschließungsfreiheit – im Streitfall die Rationalität seiner Entscheidung für einen Versicherungswechsel – in unsachlicher Weise beeinflusst wird. Der Beklagte hat jedoch sein vertragliches Leistungsangebot lediglich für eine bestimmte Zeitdauer erweitert. Darin kann kein wettbewerbswidriges Verhalten erblickt werden, da dies im Wesen des Wettbewerbs liegt. Der Kunde kann unbeeinflusst abwägen, ob das Angebot des Beklagten ihm ausreichende Veranlassung für einen Wechsel des Versicherungsunternehmens gibt.

 

5.        Die Adressaten der beanstandeten Werbung werden auch nicht darüber im Unklaren gelassen, dass der Beklagte die Erstattung von Mietwagenkosten nur für die Dauer eines Jahres (vom 1. Januar bis 31. Dezember 1998) angeboten hat. Die zeitliche Begrenzung der in Rede stehenden Versicherungsleistung ergibt sich für einen durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher, auf den im Streitfall abzustellen ist, weil es sich bei dem Angebot des Beklagten nicht um eine nur geringwertige Dienstleistung handelt, mit hinreichender Deutlichkeit aus dem in dem Werbeschreiben von November 1997 enthaltenen Hinweis, dass ein Versicherungsnehmer im Falle eines Kaskoschadens „innerhalb der ersten zwölf Monate“ (also nur für die Dauer eines Jahres) mobil bleibt.

 

6.        Auch liegt keine Irreführung i.S. von § 3 UWG in der Ankündigung einer „kostenlosen“ Überlassung eines Mietwagens. Für den mit der Werbung angesprochenen Verkehr ist erkennbar, dass der Beklagte sein vertragliches Leistungsangebot für einen begrenzten Zeitraum um die Erstattung von Mietwagenkosten bis zur Dauer von sieben Tagen im Falle eines Kaskoschadens erweitert hat. Der umworbene potentielle Kunde wird deshalb nicht davon ausgehen, dass es sich bei der zusätzlichen Leistung um ein kostenloses Angebot im eigentlichen Sinne handelt, sondern annehmen, dass die Zusatzleistung von der Versicherungsprämie mit abgedeckt wird. Aus § 6 der „Besonderen Bedingungen zum P.-Kasko-Mobility-Tarif“ ergibt sich auch nicht die zwingende Verpflichtung für den Versicherungsnehmer, für das Mietfahrzeug während seiner Nutzung eine Kaskoversicherung abzuschließen.

 

7.        Als sittenwidrig i.S. von § 1 UWG kann die beanstandete Werbemaßnahme auch nicht wegen Verstoßes gegen Nr. 56 der Wettbewerbsrichtlinien der Versicherungswirtschaft (abgedruckt bei Baumbach/Hefermehl aaO als Anhang XII nach § 3 UWG) angesehen werden, wonach es unzulässig ist, in fremde Versicherungsbestände planmäßig oder mit unlauteren Mitteln einzudringen. Die hier in Rede stehende Wettbewerbsrichtlinie könnte allenfalls als Indiz dafür herangezogen werden, welches Wettbewerbsverhalten nach der Auffassung der beteiligten Verkehrskreise als unlauter anzusehen ist. Dabei ist aber auch zu beachten, dass in den Wettbewerbsrichtlinien – ebenso wie in einer Standesrichtlinie – eine besonders strenge Auffassung der beteiligten Berufskreise und ein Bemühen um vorbeugenden Schutz des lauteren Wettbewerbs ihren Niederschlag gefunden haben können und dadurch möglicherweise die Freiheit des Wettbewerbs in einem Umfang beschränkt wird, der wegen des Gebots der Lauterkeit des Wettbewerbs nicht erforderlich ist. Deshalb ist bei der Berücksichtigung von Wettbewerbsrichtlinien der Wirtschaft stets zu prüfen, ob ein wettbewerbliches Verhalten bei Anlegung des Maßstabes des § 1 UWG auch vom Standpunkt der ebenfalls betroffenen Allgemeinheit aus als unlauter erscheint Im Streitfall sind – wie bereits dargelegt – keine Umstände festzustellen, die das beanstandete Werbeverhalten – auch wenn es als Einheit gewürdigt wird – als unlauter und damit als sittenwidrig i.S. von § 1 UWG erscheinen lassen.

 

8.        Ein Rabattverstoß, der i.V. mit § 823 Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Ersatz des vor Aufhebung des Rabattgesetzes entstandenen Schadens begründen könnte, ist ebenfalls zu verneinen. Ein Preisnachlass kann zwar nicht nur in der Form der Preisherabsetzung, sondern auch als Leistungssteigerung, also einer Verbesserung der Hauptleistung, in Erscheinung treten. Nach § 1 Abs. 2 RabattG ist jedoch erforderlich, dass ein Nachlass auf einen angekündigten oder allgemein geforderten Preis, den sogenannten Normalpreis, gewährt wird. Es müssen somit zwei Preise einander gegenübergestellt werden, der Normalpreis und der davon abgeleitete niedrigere Ausnahmepreis.

 

Verfasser: Daniel Möller

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