Unter „Kettenbefristungen“ versteht man arbeitsrechtlich eine Vielzahl von Einzelbefristungen, die ohne Unterbrechung in Folge abgeschlossen werden. Der Begriff der „Kettenbefristung“ ist bereits per se negativ besetzt. Allerdings führen mehrere auf einen Sachgrund gestützte Verträge hintereinander noch nicht unweigerlich zur Unwirksamkeit der Befristungen. Im Gegenteil: Nach der bisherigen Rechtsprechung war Maßstab der Befristungskontrolle alleine das Vorliegen eines sachlichen Grundes für die jeweils letzte Befristung. Lag ein solcher sachlicher Grund vor, konnten auch eine Vielzahl von befristeten Verträgen in Kette hintereinander vereinbart werden. Diese Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht nun im Anschluss an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 26. Januar 2012 (Fall Kücük) beschränkt. Die bislang notwendige alleinige Sachgrundkontrolle wurde um eine zusätzliche Rechtsmissbrauchskontrolle ergänzt (BAG, Urteile v. 18.06.2012 – 7 AZR 783/10 – und – 7 AZR 443/09). Auf die Darstellung der sehr speziellen Einzelsachverhalte verzichten wir an dieser Stelle und beschränken uns auf die Wiedergabe der allgemeinen Aussagen zu dieser neuen Rechtsprechung.
I. Fortbestehende Sachgrundkontrolle
Das Bundesarbeitsgericht bekräftigt zunächst seine bisherige Rechtsprechung zur notwendigen Sachgrundkontrolle insbesondere bei ständigem Vertretungsbedarf. Entscheidend ist weiterhin, ob bei der letzten Befristungsabrede ein Vertretungsfall vorlag. Es bleibt also zunächst dabei, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine wirksame Vertretungsbefristung allein die Anzahl der mit einem Arbeitnehmer abgeschlossenen befristeten Arbeitsverträge noch nicht zur Unwirksamkeit der Befristungen führt.
II. Aber: Rechtsmissbrauchskontrolle
Dennoch führt das Bundesarbeitsgericht nunmehr aus, dass sich die Arbeitsgerichte bei der Befristungskontrolle nicht allein auf die Prüfung des geltend gemachten Sachgrunds der Vertretung beschränken dürfen. Sie müssen nunmehr zusätzlich alle Umstände des Einzelfalls prüfen und dabei namentlich die Gesamtdauer und die Zahl der mit derselben Person zur Verrichtung der gleichen Arbeit geschlossenen aufeinander folgenden befristeten Verträge berücksichtigen, um auszuschließen, dass Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgreifen. Diese zusätzliche Prüfung ist im deutschen Recht nach den Grundsätzen der Rechtsmissbrauchskontrolle (abgeleitet aus § 242 BGB Treu und Glauben) vorzunehmen.
III. Welche Kriterien gelten?
Die neue Rechtsprechung ist leider für die Praxis wenig greifbar. Das Bundesarbeitsgericht hat weder festgelegt, wie viele Verträge maximal abgeschlossen werden dürfen ohne rechtsmissbräuchlich zu sein und es wurde auch nicht entschieden, ob die Gesamtdauer der Befristungen nach oben begrenzt ist. Das Zusammenspiel der Zahl der befristeten Verträge und ihrer Gesamtdauer steht also nicht fest. Lediglich in den beiden entschiedenen Fällen hat der zuständige Siebte Senat des BAG nunmehr klargestellt, dass vier Befristungen mit einer Gesamtdauer von sieben Jahren und neun Monaten noch nicht rechtsmissbräuchlich sind, wohingegen eine Gesamtdauer von mehr als elf Jahren bei 13 Befristungen eine missbräuchliche Gestaltung darstellt.
Hinweis für die Praxis:
Die neue Rechtsprechung ist unklar und lädt geradezu dazu ein, Befristungen gerichtlich überprüfen zu lassen. Das BAG gibt auch keine Hinweise, welche entlastenden Umstände der Arbeitgeber vortragen kann, um die Annahme eines Rechtsmissbrauchs zu widerlegen. Dies können jedenfalls keine Umstände sein, die bereits die Befristung an sich rechtfertigen. Vier Befristungen in sieben Jahren und neun Monaten sind nach der neuen Rechtsprechung noch zulässig. Jede Verlängerung darüber hinaus wird künftig mit Unsicherheiten behaftet sein. Wir werden über die weitere Entwicklung in der Rechtsprechung berichten.
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