06.01.2014 -

Immer wieder verlangen Arbeitnehmer nach ihrem Ausscheiden die Berichtigung oder Ergänzung eines bereits ausgestellten Zeugnisses. Wie lange aber muss ein Arbeitgeber einer solchen Forderung nachkommen? Mit dieser Frage hatte sich nun das Hessische Landesarbeitsgericht zu befassen (16.01.2013 – 18 Sa 602/12). Solche Ansprüche können schon vor Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist, die im Arbeitsrecht Anwendung findet, untergegangen sein. Insoweit greifen die speziellen Grundsätze der sogenannte Verwirkung. Welche Regeln hier anzuwenden sind, soll nachfolgend dargestellt werden.

Der Fall:

Der klagende Arbeitnehmer war vom 1. Juni 1997 bis zum 31. August 2008 bei dem beklagten Arbeitgeber beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch eine Eigenkündigung.

Mit seinem Ausscheiden erhielt der Kläger am 31. August 2008 ein qualifiziertes Zeugnis. Der damalige Vorgesetzte des Klägers hat diesen kurz vor seinem Ausscheiden am 21. August 2008 per E-Mail aufgefordert, eine Tätigkeitsbeschreibung für das verlangte Zeugnis selbst zu verfassen. Dem kam der Arbeitnehmer am 28. August 2008 ebenfalls per E-Mail nach. In dem dann am 31. August 2008 erteilten Zeugnis wich der Arbeitgeber hingegen von dieser eingereichten Tätigkeitsbeschreibung ab.

Erst nach Ablauf von zwei Jahren und acht Monaten, nämlich im Mai 2011, verlangte der Arbeitnehmer dann von dem Arbeitgeber die Berichtigung des Zeugnisses. Der Arbeitgeber kam dem nicht nach und der Arbeitnehmer erhob Klage auf Zeugnisberichtigung. Ausschlussfristen fanden keine Anwendung.

Das Arbeitsgericht hat die Klage ohne inhaltliche Überprüfung des Änderungsbegehrens wegen Verwirkung gem. § 242 BGB abgelehnt.

Die Entscheidung:

Im Berufungsverfahren hat das LAG die Entscheidung des Arbeitsgerichts voll bestätigt.

I. Zeugnisberichtigungsanspruch

Arbeitnehmern steht ein Zeugnisberichtigungsanspruch zu. Spezielle Fristen sind hierzu nicht geregelt, so dass grundsätzlich der gesetzliche Verjährungsanspruch von drei Jahren gilt, um seine Ansprüche durchzusetzen. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts unterliegen Zeugnisansprüche als Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis auch tariflichen Ausschlussfristen.

II. Sonderfall Verwirkung

Arbeitsrechtliche Ansprüche unterliegen aber nicht nur der Verjährung oder speziellen Ausschlussfristen, sondern auch dem speziellen Rechtsinstitut der Verwirkung. Hierbei handelt es sich um einen Unterfall des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB. Verwirkung tritt immer dann ein, wenn zwei Voraussetzungengemeinsam erfüllt sind: Es muss ein erheblicher Zeitablauf vorliegen (Zeitmoment) und es müssen zusätzliche Umstände vorliegen, die den Anspruchsgegner annehmen lassen, dass ein bestimmter Anspruch nicht mehr geltend gemacht wird (Umstandsmoment). Liegen beide Voraussetzungen vor, kann ein Anspruch nicht mehr durchgesetzt werden, selbst wenn dieser noch nicht verjährt ist oder einer Ausschlussfrist unterfällt.

Im vorliegenden Fall haben beide Instanzen die Verwirkung bejaht. Das Zeitmoment war mit der Untätigkeit für die Dauer von zwei Jahren und acht Monaten ohne weiteres erfüllt. Das Landesarbeitsgericht hat sogar angenommen, das Umstandsmoment könne schon auf die dauerhafte Untätigkeit des Arbeitnehmers gestützt werden. Hierauf komme es aber nicht an, denn das spezielle Umstandsmoment resultiere jedenfalls daraus, dass der Kläger nicht darauf reagierte, dass der Arbeitgeber die von ihm am 28. August 2008 gelieferte Tätigkeitsbeschreibung nicht 1:1 übernahm. Die Abweichung in der Tätigkeitsbeschreibung des Zeugnisses vom 31. August 2008 gegenüber den Vorgaben des Arbeitnehmers aus seiner Mail vom 28. August 2008 war deutlich. Hiergegen wandte sich der Arbeitnehmer aber nicht. Der Arbeitgeber durfte daher darauf vertrauen, dass er mit dem von ihm erteilten Zeugnis einverstanden war.

Fazit:

Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis müssen zeitnah geltend gemacht werden. Dies gilt auch für Zeugnisberichtigungsansprüche. Wer lange Zeit untätig bleibt läuft Gefahr, seine Ansprüche zu verlieren. Dies gilt für beide Vertragsparteien, so dass auch Arbeitgeber angehalten sind, etwaige Ansprüche gegen den Arbeitnehmer zeitnah zu realisieren.

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