20.07.2014 -

Die Grundsätze des Befristungsrechts sind formal und komplex. Immer wieder kommt es zu Fallkonstellationen, die dem Bundesarbeitsgericht Gelegenheit geben, seine Rechtsprechung fortzuentwickeln. In einer aktuellen Entscheidung hat sich der zuständige 7. Senat mit Fragen der Vertretungsbefristung und dem Unterfall der mittelbaren Vertretung befassen müssen (BAG, Urt. v. 06.11.2013 – 7 AZR 96/12). Wir werden nachfolgend die von dem Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze erläutern.

Der Fall (verkürzt):

Die klagende Arbeitnehmerin hatte bereits mehrere befristete Arbeitsverträge vereinbart. Gegenstand des Befristungsrechtsstreits war nun der letzte befristete Arbeitsvertrag vom 25. Januar 2010 bis zum 31. Dezember 2010. Auf Basis dieses Vertrages war sie als Fachassistentin Leistungsgewährung im Bereich SGB II bei einer Agentur für Arbeit eingesetzt. Das Arbeitsverhältnis stand zu einem Zeitarbeitsunternehmen. Sie wurde als Leiharbeiterin tätig.

Nach den einschlägigen tariflichen Bestimmungen ist diese Tätigkeit der Tätigkeitsebene V zugeordnet. In dem von der Klägerin unterzeichneten „Vermerk zum befristeten Arbeitsvertrag“ heißt es hinsichtlich des Befristungsgrundes:

§ 14 Abs. 1 Nr. 3 TzBfG (Vertretung) in der Beauftragungskette G.-Gr.

Die vorgenannte Frau G. ist als Arbeitsvermittlerin im Bereich SGB II tätig. Diese Tätigkeit ist der höherwertigen Tätigkeitsebene IV nach dem einschlägigen Tarifvertrag zugeordnet. Frau G. hatte Sonderurlaub. Der ebenfalls genannte Herr Gr. war als Fachassistent Leistungsgewährung in der Tätigkeitsebene V tätig, ebenso wie die Klägerin.

Die Klägerin hat mit ihrer Befristungsklage geltend gemacht, dass ein Sachgrund für die Befristung nicht vorliege. Eine Vertretung von Frau G. im Wege der mittelbaren Vertretung scheide aus. Sie – die Klägerin – bestreite mit Nichtwissen, dass Herr Gr. die Tätigkeit von Frau G. übernommen habe. Ein Sachgrund der Vertretung liege auch deshalb nicht vor, da der beklagte Arbeitgeber nicht davon habe ausgehen können, Herr Gr. werde wieder auf seinen alten Arbeitsplatz zurückkehren. Die Befristungskette scheitere auch daran, dass Herr Gr. lediglich erprobt worden sei. Schließlich seien die Tätigkeiten der Frau G. höherwertig.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen.

Die Entscheidung:

Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

I. Voraussetzungen der Vertretungsbefristung

Nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG liegt ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrages vor, wenn der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird. Der Grund für die Befristung liegt in Vertretungsfällen darin, dass der Arbeitgeber bereits zu einem vorübergehend ausfallenden Mitarbeiter in einem Rechtsverhältnis steht und mit der Rückkehr dieses Mitarbeiters rechnet. Damit besteht für die Wahrnehmung der an sich dem ausfallenden Mitarbeiter obliegenden Arbeitsaufgaben durch eine Vertretungskraft von vornherein nur ein zeitlich begrenztes Bedürfnis.

Teil des Sachgrundes ist daher eine Prognose des Arbeitgebers über den voraussichtlichen Wegfall des Vertretungsbedarfs nach Rückkehr des zu vertretenden Mitarbeiters. Der Sachgrund der Vertretung setzt des Weiteren einen Kausalzusammenhang zwischen dem zeitweiligen Ausfall des Vertretenen und der Einstellung des Vertreters voraus. Erforderlich ist eine Kausalkette. Notwendig aber auch ausreichend ist, dass zwischen dem zeitweiligen Ausfall von Stammarbeitskräften und der befristeten Einstellung von Aushilfsarbeitnehmern ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Es muss sichergestellt sein, dass die Vertretungskraft gerade wegen des durch den zeitweiligen Ausfall des zu vertretenden Mitarbeiters entstandenen vorübergehenden Beschäftigungsbedarfs eingestellt worden ist.

II. Formen der Vertretung

Die Rechtsprechung hat zwei Formen der Vertretung entwickelt: Die unmittelbare und die mittelbare Vertretung. Geht es um eine unmittelbare Vertretung, hat der Arbeitgeber darzulegen, dass der Vertreter nach dem Arbeitsvertrag mit Aufgaben betraut worden ist, die vorher dem vorübergehend abwesenden Arbeitnehmer übertragen waren.

Schwieriger ist die Begründung einer mittelbaren Vertretung. Wird die Tätigkeit des zeitweise ausfallenden Mitarbeiters nicht von dem Vertreter, sondern einem anderen Arbeitnehmer oder mehreren anderen Arbeitnehmern ausgeübt (mittelbare Vertretung), hat der Arbeitgeber zur Darstellung des Kausalzusammenhangs grundsätzlich die Vertretungskette zwischen dem Vertretenen und dem Vertreter darzulegen. Auch ohne dass eine Vertretungskette vorliegt, kann die Kausalität bei der mittelbaren Vertretung auch dann bestehen, wenn der Arbeitgeber die Aufgaben in seinem Betrieb oder seiner Dienststelle neu verteilt. Er hat dann zunächst die bisher dem vertretenen Mitarbeiter übertragenen Aufgaben darzustellen. Anschließend ist die Neuverteilung dieser Aufgaben auf einen oder mehrere Mitarbeiter zu schildern. Schlüssig ist darzulegen, dass sich die dem Vertreter zugewiesenen Tätigkeiten aus der geänderten Aufgabenzuweisung ergeben.

Hinweis für die Praxis:

Die erforderliche Kausalität kann sich auch daraus ergeben, dass der Arbeitgeber rechtlich und tatsächlich in der Lage wäre, dem vorübergehend abwesenden Mitarbeiter im Falle seiner Anwesenheit die dem Vertreter zugewiesenen Aufgaben zu übertragen und der Arbeitgeber bei Vertragsschluss mit dem Vertreter dessen Aufgaben einem oder mehreren vorübergehend abwesenden Beschäftigten nach außen erkennbar gedanklich zuordnet.

III. Rückkehr des Vertretenen erforderlich!

Eine Ursächlichkeit zwischen dem durch den Ausfall des abwesenden Beschäftigten entstandenen vorübergehenden Arbeitskräftebedarf und der Einstellung eines anderen Arbeitnehmers besteht für eine Vertretungskette dann jedoch nicht mehr, wenn nach den Umständen des Einzelfalles die Einstellung des befristet beschäftigten Arbeitnehmers mit der vorübergehenden Abwesenheit des anderen Arbeitnehmers nichts mehr zu tun hat. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des befristeten Vertrages feststeht, dass der Arbeitnehmer der den abwesenden Arbeitnehmer unmittelbar ersetzt und der seinerseits von dem befristet eingestellten Arbeitnehmer ersetzt wird, nicht auf seinen Arbeitsplatz zurückkehren wird. Hiernach dürfte vorliegend die Ursächlichkeit der vorübergehenden Abwesenheit der Frau G. für die befristete Einstellung der Klägerin dann zu verneinen sein, wenn bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages feststand, dass Herr Gr. nicht mehr auf seinen Arbeitsplatz zurückkehren wird. Dies wird das Landesarbeitsgericht noch weiter aufklären müssen.

Fazit:

Bei dem speziellen Fall der mittelbaren Vertretung muss der Arbeitgeber die Vertretungskette und ggf. auch die gedankliche Zuordnung der Aufgaben den einzelnen Mitarbeitern dieser Vertretungskette zuordnen können. Es empfiehlt sich daher bei Vertragsschluss, entsprechende Aufzeichnungen etc. anzufertigen, um im Falle eines Prozesses diese Voraussetzungen nachweisen und belegen zu können. Eine Vertretungsbefristung ist dabei immer nur dann wirksam, wenn zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die sichere Prognose gestellt werden kann, dass der zu vertretende Mitarbeiter wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkehrt. Andernfalls scheitert die Befristung schon daran. Allerdings bedarf der Befristungsgrund selbst weder einer Vereinbarung noch unterliegt er dem Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG. Es genügt, dass er als Rechtfertigungsgrund für die Befristung bei Vertragsschluss objektiv vorlag. Der Arbeitgeber kann sich mithin auf einen Sachgrund auch dann stützen, wenn im Arbeitsvertrag kein oder ein anderer Sachgrund oder sogar auch die sachgrundlose Befristung als Rechtfertigung für die Befristung genannt ist. Etwas anderes kann im Einzelfall ggf. dann gelten, wenn in Bezug genommene Tarifverträge spezielle Regelungen vorsehen.

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