16.02.2015 -

Betriebsratsmitglieder haben bekanntlich nach § 37 Abs. 3 S. 1 BetrVG Anspruch auf Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts für Betriebsratstätigkeit. In diesem Zusammenhang kommt es in der betrieblichen Praxis immer wieder zu Streitigkeiten zwischen den Betriebspartnern. Das Bundesarbeitsgericht hatte sich nun mit dem speziellen, aber durchaus üblichen Fall zu befassen, dass einem teilzeitbeschäftigten Betriebsrat bereits Freizeitausgleich gewährt wurde und dieses Betriebsratsmitglied nun an einem solchen Tag erneut außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit Betriebsratstätigkeit verrichtet (19.03.2014 – 7 AZR 480/12). Muss in einem solchen Fall erneut Freizeitausgleich gewährt werden? Das Bundesarbeitsgericht hat diese Frage bejaht.

Der Fall:

Die Parteien streiten darüber, ob der teilzeitbeschäftigte Kläger und Zeitungszusteller an Tagen, an denen er bereits von seiner persönlichen Arbeitszeit zur Erfüllung von Freizeitausgleichsansprüchen nach § 37 Abs. 3 BetrVG freigestellt ist, einen weiteren Anspruch auf Freizeitausgleich erwirbt, wenn er erneut außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit Betriebsratstätigkeiten verrichtet.

Die Beklagte beschäftigt in ihrem Zeitungszustellungsbetrieb ca. 450 Arbeitnehmer. Der Kläger, der als Zeitungszusteller bei der Beklagten angestellt ist, gehört dem 11-köpfigen Betriebsrat an. Seine Arbeitszeit liegt täglich zwischen 4.00 Uhr und 6.30 Uhr morgens und beträgt bei einer Sechs-Tage-Woche 15 Stunden wöchentlich.

Die Betriebsratsarbeit findet hingegen regelmäßig nicht in den Zustellungsstunden, sondern zu den üblichen Bürozeiten statt, die ab 7.00 Uhr beginnen. Über diese Praxis besteht Einvernehmen zwischen den Betriebsparteien.

Auch nachdem der Arbeitgeber dem Zeitungszusteller während seiner persönlichen Arbeitszeit in den frühen Morgenstunden Freizeitausgleich für Betriebsratsarbeit erteilt hat, verrichtet er während der normalen Bürostunden Betriebsratsarbeit oder nimmt an Schulungen teil. Für diese Zeiten verlangt er Zeitgutschriften auf seinem Stundenkonto. Dem kommt der beklagte Arbeitgeber nicht nach.

Wegen dieser Rechtsfrage streiten die Parteien um Freizeitausgleich für 238 Stunden. Die Erforderlichkeit der Betriebsratstätigkeit und die Berechnung der dafür angefallenen Stunden befinden sich nicht im Streit.

Der Arbeitgeber hat dazu den Standpunkt eingenommen, an Tagen, an denen der Kläger bereits wegen vorausgegangener Betriebsratstätigkeit nach § 37 Abs. 3 BetrVG freigestellt gewesen sei, stünde ihm kein erneuter Freizeitausgleich zu. Betriebsratsarbeit sei an diesen Tagen nicht aus „betriebsbedingten Gründen“ außerhalb der Arbeitszeit durchgeführt worden, sondern aus persönlichen Gründen.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben.

Die Entscheidung:

Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt und nochmals seine Grundsätze zum Freizeitausgleich nach § 37 Abs. 3 BetrVG präzisiert.

I. Grundsätze des Freizeitausgleichs

Nach § 37 Abs. 3 S. 1 BetrVG hat ein Betriebsratsmitglied zum Ausgleich für Betriebsratstätigkeit, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist, Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Die Arbeitsbefreiung ist vor Ablauf eines Monats zu gewähren. Dies gilt entsprechend für die Teilnahme an Schulungen und Bildungsveranstaltungen, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind.

Der Freizeitausgleich für die außerhalb der Arbeitszeit durchgeführte Betriebsratstätigkeit betrifft lediglich die Folgen einer aus betriebsbedingten Gründen notwendigen Abweichung von dem Grundsatz, dass Betriebsratstätigkeit während der Arbeitszeit stattzufinden hat. Es handelt sich im Ergebnis um ein zeitlich verschobenes Arbeitsentgelt für eine sonst in der persönlichen Arbeitszeit anfallende Betriebsratstätigkeit, die nur infolge eines dem Arbeitgeber zuzurechnenden Umstandes in die Freizeit verlegt worden ist.

II. Voraussetzung: Betriebsbedingte Gründe

Betriebsbedingte Gründe im Sinne des § 37 Abs. 3 S. 1 BetrVG liegen vor, wenn betriebliche Gegebenheiten und Sachzwänge innerhalb der Betriebssphäre dazu geführt haben, dass die Betriebsratstätigkeit nicht während der Arbeitszeit durchgeführt werden konnte. Der Arbeitnehmer muss dadurch zur Betriebsratstätigkeit außerhalb seiner Arbeitszeit gezwungen sein. Zu betriebsbedingten Gründen im Sinne des § 37 Abs. 3 S. 1 BetrVG, die einen Freizeitausgleich begründen, gehören solche aus der Sphäre des Betriebs, nicht des Betriebsrats. Dazu müssen bestimmte Gegebenheiten und Sachzwänge des Betriebs die Undurchführbarkeit der Betriebsratstätigkeit während der individuellen Arbeitszeit des Betriebsratsmitglieds bedingen.

Hinweis für die Praxis:

Betriebsbedingte Gründe in diesem Sinne sind in jedem Unternehmen und Betrieb konkret zu bestimmen. Im vorliegenden Fall hat das Bundesarbeitsgericht betriebsbedingte Gründe bejaht, wenn Zeitungszusteller ihre Arbeit in den frühen Morgenstunden zu erledigen haben und Betriebsratstätigkeit in der Normalarbeitszeit auszuüben ist.

III. Freizeitausgleich durch einseitige Freistellung

Die Erfüllung des Anspruchs nach § 37 Abs. 3 S. 1 BetrVG erfolgt durch Freistellung des Arbeitnehmers von seiner Pflicht, Arbeitsleistungen zu erbringen ohne Minderung der Vergütung. Die Freistellung bedarf keiner Einigung mit dem Arbeitnehmer. Es handelt sich um eine einseitige Weisung zur Verteilung der Arbeitszeit im Sinne von § 106 GewO. Dabei muss der Arbeitgeber auch nicht bevorzugt die Wünsche des Arbeitnehmers bzw. Betriebsrats berücksichtigen. Es gibt keinen generellen Vorrang der Interessen des Arbeitnehmers, wie z.B. das Urlaubsrecht in § 7 Abs. 1 BUrlG vorsieht.

Hinweis für die Praxis:

Damit ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass der Arbeitgeber ein von dem Betriebsratsmitglied geäußertes Anliegen der zeitlichen Lage der Arbeitsbefreiung bei der Freistellung berücksichtigen muss. Dies ist aber nur ein Aspekt des billigen Ermessens nach § 106 GewO, § 315 Abs. 3 BGB und muss vom Betriebsrat auch konkret gefordert werden.

IV. Betriebsratstätigkeit während Freizeitausgleich möglich

Die Gewährung von Freizeitausgleich nach § 37 Abs. 3 S. 1 BetrVG erfasst nur die persönliche Arbeitszeit des Betriebsratsmitglieds. Sie hindert das Betriebsratsmitglied nicht, sein Ehrenamt als Betriebsrat außerhalb seiner individuellen Arbeitszeit weiter wahrzunehmen. Findet diese Betriebsratstätigkeit wiederum betriebsbedingt außerhalb der individuellen Arbeitszeit statt, erwirbt das Betriebsratsmitglied erneut einen Anspruch auf Freizeitausgleich für diese Betriebsratstätigkeiten. Im Extremfall kann dadurch also ein – insbesondere mit wenigen Stunden teilzeitbeschäftigtes – Mitglied des Betriebsrats, das stets betriebsbedingt außerhalb seiner Arbeitszeit erforderliche Betriebsratsarbeit leistet, über einen längeren Zeitraum vollständig von seiner Arbeitsleistung freizustellen sein.

Fazit:

Die Gewährung von Freizeitausgleich und Betriebsratstätigkeit außerhalb der üblichen Arbeitszeit sind also streng voneinander zu trennen. Wird Freizeitausgleich gewährt, hindert dies das Entstehen neuer Freizeitausgleichsansprüche nach dieser Rechtsprechung nicht. Voraussetzung ist freilich, dass die Betriebsratstätigkeit außerhalb der üblichen Arbeitszeit allein aus betriebsbedingten Gründen erfolgt ist.

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