21.12.2015 -

Der Bundestag hat am 6. November 2015 das „Gesetz zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ beschlossen. Der neu in das Strafgesetzbuch (StGB) eingeführte Straftatbestand (§ 217 – Geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung) ist am 10. Dezember 2015 in Kraft getreten.

Der neue § 217 StGB lautet:

„(1) Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Als Teilnehmer bleibt straffrei, wer selbst nicht geschäftsmäßig handelt und entweder Angehöriger des in Absatz 1 genannten anderen ist oder diesem nahesteht.“

Problemaufriss:

Das deutsche Recht unterscheidet klar zwischen der strafbaren Tötung auf Verlangen nach § 216 StGB – auch aktive Sterbehilfe genannt – und der straffreien Beihilfe zum freiverantwortlichen Suizid (assistierter Suizid). Nach § 216 StGB macht sich derjenige strafbar, der durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Sterbewilligen zu der Tötung bestimmt worden ist und entsprechend handelt. Selbst eine Einwilligung in die eigene Tötung kann also keine rechtfertigende Kraft für einen zur Tötung bestimmten Dritten entfalten. Für die Abgrenzung zwischen strafloser Suizidteilnahme und strafbarer Fremdtötung auf Verlangen ist entscheidend, wer das zum Tode führende Geschehen tatsächlich beherrscht hat, d.h. wer die unmittelbar zum Tod führende Handlung vornimmt. Keine strafbare Tötung auf Verlangen stellen der gerechtfertigte Behandlungsabbruch – früher als „passive Sterbehilfe“ bezeichnet – und die sogenannte indirekte Sterbehilfe dar. Ziel des neuen Straftatbestandes ist es, die Entwicklung der Beihilfe zum Suizid (assistierter Suizid) zu einem Dienstleistungsangebot der gesundheitlichen Versorgung zu verhindern. Insbesondere Vereinen und Einzelpersonen, die regelmäßig Beihilfe zum Suizid anbieten, werden hiervon erfasst. Denn dadurch drohe eine gesellschaftliche „Normalisierung“, ein „Gewöhnungseffekt“ an solche organisierten Formen des assistierten Suizids, einzutreten (BT-Drucksache18/5373, S. 2).

Die Neuregelung:

Unter Strafe gestellt wird die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung. Konkret werden Handlungen unter Strafe gestellt, mit denen einem anderen die Gelegenheit zur Selbsttötung geschäftsmäßig gewährt, verschafft oder vermittelt wird, wenn dies in der Absicht geschieht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern. Das Delikt ist als Unternehmensdelikt ausgestaltet, d.h. ein Taterfolg in Form eines vollendeten Suizids ist daher nicht erforderlich. Es handelt sich insoweit um ein (abstraktes) Gefährdungsdelikt. Der Täterkreis ist nicht beschränkt, es kommen also auch Ärzte als Täter in Betracht.

Der objektive Tatbestand ist sehr weit erfasst.

Geschäftsmäßig im Sinne der Vorschrift handelt, wer die Gewährung, Verschaffung oder Vermittlung der Gelegenheit zur Selbsttötung zu einem dauernden oder wiederkehrenden Bestandteil seiner Tätigkeit macht, unabhängig von einer Gewinnerzielungsabsicht und unabhängig von einem Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen oder beruflichen Tätigkeit. Nach der Gesetzesbegründung reicht hierfür ein erst- und einmaliges Angebot nicht. Anders verhalte es sich aber, wenn das erstmalige Angebot den Beginn einer auf Fortsetzung angelegten Tätigkeit darstelle (BT-Drucksache18/5373, S. 17). Die Neuregelung soll v.a. eine planmäßige Betätigung in Form eines regelmäßigen Angebotes durch Organisationen oder Einzelpersonen erfassen. Gewähren oder Verschaffen einer Gelegenheit setzt voraus, dass der Täter äußere Umstände herbeiführt, die geeignet sind, die Selbsttötung zu ermöglichen oder wesentlich zu erleichtern. Dies kann z. B. durch das Überlassen einer Räumlichkeit oder von zur Selbsttötung geeigneten Mitteln geschehen. Demgegenüber fällt aber „Hilfe beim Sterben“, die Angehörige von Heilberufen im Rahmen medizinischer Behandlung, z.B. in Krankenhäusern, Hospizen und anderen palliativmedizinischen Einrichtungen leisten, nicht unter § 217 StGB.

In subjektiver Hinsicht ist erforderlich, dass die gewährte Hilfestellung zur Selbsttötung absichtlich, also zielgerichtet, erfolgt. Demnach bleiben etwa Palliativmediziner weiterhin straffrei, die unheilbar kranken Patientinnen und Patienten zum Zweck der Schmerzlinderung ein Schmerzmittel bereitstellen, obwohl sie sowie die Patienten wissen, dass die Einnahme dieses Schmerzmittels unbeabsichtigt, aber möglicherweise den Todeseintritt beschleunigt.

Absatz 2 enthält einen persönlichen Strafausschließungsgrund für Angehörige und andere dem Suizidwilligen nahestehende Personen.

Hinweis für die Praxis:

Die auf den Einzelfall beschränkte Teilnahme an einer freiverantwortlichen Selbsttötung ist und bleibt straflos. Das gilt auch für ärztliche Mitwirkungshandlungen. Unter Umständen kann aber ein Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz vorliegen. Soweit der Arzt mit seiner Mitwirkung an einer Selbsttötung gegen ärztliches Standesrecht verstößt, hat dies keine Auswirkungen auf seine Strafbarkeit. Die Bundesärztekammer hat sich in ihren Stellungnahmen (DtÄrzteBl 2004, A 1298 u. DtÄrzteBl 2011, A 346) dahingehend geäußert, dass die Mitwirkung am Suizid dem ärztlichen Ethos widerspreche und die Beihilfe zum Suizid keine ärztliche Aufgabe sei.

Fazit:

Die Neuregelung wurde kontrovers diskutiert. Das betrifft insbesondere den weiten Anwendungsbereich und das unbestimmte Tatbestandsmerkmal „geschäftsmäßig“. Insoweit wurden Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit geäußert. Dies führt zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit. Denn das Gesetz betrifft eben nicht nur Sterbehilfeorganisationen, sondern auch Ärzte, vor allem Palliativmediziner. Ein im Vorfeld ebenfalls diskutierter Gesetzentwurf, wonach Medizinern der „begleitete Suizid“ unter bestimmten Voraussetzungen vorbehalten bleiben sollte, fand keine Mehrheit. Sterbehilfeorganisationen haben bereits angekündigt, unmittelbar nach Inkrafttreten des Gesetzes Verfassungsbeschwerde zu erheben. Die Diskussion zum Thema Sterbehilfe ist daher noch nicht beendet.

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