09.03.2016 -

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der Betreiber eines Ärztebewertungsportals umfassenden Prüfungs- und Auskunftspflichten unterliegt, da der Betrieb eines Bewertungsportals von vornherein ein gesteigertes Risiko von Persönlichkeitsrechtsverletzungen in sich trägt.

§ 12 Abs. 1 TMG lautet:

Grundsätze

„(1) Der Diensteanbieter darf personenbezogene Daten zur Bereitstellung von Telemedien nur erheben und verwenden, soweit dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift, die sich ausdrücklich auf Telemedien bezieht, es erlaubt oder der Nutzer eingewilligt hat.

…“

§ 13 Abs. 6 TMG lautet:

„Der Diensteanbieter hat die Nutzung von Telemedien und ihre Bezahlung anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist. […]“

Der Fall (verkürzt):

Der Kläger ist Zahnarzt. Die Beklagte betreibt unter der Internetadresse www.jameda.de de ein Portal zur Arztsuche und -bewertung. Dort können Interessierte Informationen über Ärzte aufrufen. Registrierten Nutzern bietet das Portal zudem die Möglichkeit, die Tätigkeit von Ärzten zu bewerten. Die Bewertung, die der jeweilige Nutzer ohne Angabe seines Klarnamens abgeben kann, erfolgt dabei anhand einer sich an Schulnoten orientierenden Skala für insgesamt fünf vorformulierte Kategorien, namentlich „Behandlung“, „Aufklärung“, „Vertrauensverhältnis“, „genommene Zeit“ und „Freundlichkeit“. Ferner besteht die Möglichkeit zu Kommentaren in einem Freitextfeld.

Gegenstand der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist die Bewertung des Klägers durch einen anonymen Nutzer, er könne den Kläger nicht empfehlen. Als Gesamtnote war 4,8 genannt. Sie setzte sich aus den in den genannten Kategorien vergebenen Einzelnoten zusammen, darunter jeweils der Note „6“ für „Behandlung“, „Aufklärung“ und „Vertrauensverhältnis“. Der Kläger bestreitet, dass er den Bewertenden behandelt hat.

Der Kläger forderte die Beklagte vorprozessual zur Entfernung der Bewertung auf. Diese sandte die Beanstandung dem Nutzer zu. Die Antwort des Nutzers hierauf leitete sie dem Kläger unter Hinweis auf datenschutzrechtliche Bedenken nicht weiter. Die Bewertung beließ sie im Portal.

Mit seiner Klage verlangt der Kläger von der Beklagten, es zu unterlassen, die dargestellte Bewertung zu verbreiten oder verbreiten zu lassen. Das Landgericht hat der Klage stattgeben; das Oberlandesgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Der für das Allgemeine Persönlichkeitsrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat diese Entscheidung aufgehoben und den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung:

Die Begründung der Richter wird in der Pressemitteilung des BGH wie folgt zusammengefasst:

Die beanstandete Bewertung ist keine eigene „Behauptung“ der Beklagten, weil diese sie sich inhaltlich nicht zu eigen gemacht hat. Die Beklagte haftet für die vom Nutzer ihres Portals abgegebene Bewertung deshalb nur dann, wenn sie zumutbare Prüfungspflichten verletzt hat. Deren Umfang richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei dem Gewicht der beanstandeten Rechtsverletzung, den Erkenntnismöglichkeiten des Providers sowie der Funktion des vom Provider betriebenen Dienstes zu. Hierbei darf einem Diensteanbieter keine Prüfungspflicht auferlegt werden, die sein Geschäftsmodell wirtschaftlich gefährdet oder seine Tätigkeit unverhältnismäßig erschwert.

Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte ihr obliegende Prüfpflichten verletzt. Der Betrieb eines Bewertungsportals trägt im Vergleich zu anderen Portalen von vornherein ein gesteigertes Risiko von Persönlichkeitsrechtsverletzungen in sich. Diese Gefahr wird durch die Möglichkeit, Bewertungen anonym oder pseudonym abzugeben, verstärkt. Zudem erschweren es derart verdeckt abgegebene Bewertungen dem betroffenen Arzt, gegen den Bewertenden direkt vorzugehen. Vor diesem Hintergrund hätte die beklagte Portalbetreiberin die Beanstandung des betroffenen Arztes dem Bewertenden übersenden und ihn dazu anhalten müssen, ihr den angeblichen Behandlungskontakt möglichst genau zu beschreiben. Darüber hinaus hätte sie den Bewertenden auffordern müssen, ihr den Behandlungskontakt belegende Unterlagen, wie etwa Bonushefte, Rezepte oder sonstige Indizien, möglichst umfassend vorzulegen. Diejenigen Informationen und Unterlagen, zu deren Weiterleitung sie ohne Verstoß gegen § 12 Abs. 1 TMG in der Lage gewesen wäre, hätte sie an den Kläger weiterleiten müssen. Im weiteren Verfahren werden die Parteien Gelegenheit haben, zu von der Beklagten ggf. ergriffenen weiteren Prüfungsmaßnahmen ergänzend vorzutragen.

(Quelle: Pressemitteilung Nr. 49/16 des BGH v. 01.03.2016)

Hinweis für die Praxis:

Ärzte müssen keine Rufschädigungen hinnehmen. Sie können sich gegen unwahre Tatsachenbehauptungen mit einem Unterlassungsanspruch zur Wehr setzen, wenn diese unzutreffende Angaben enthalten oder die Grenze zur sogenannten Schmähkritik überschritten wird. Es kommt dann ein Anspruch auf Entfernung der jeweiligen Äußerung gegen den Betreiber des Portals in Betracht. Der betroffene Arzt kann sich dazu zunächst an den Betreiber des Bewertungsportals wenden und ihn darauf aufmerksam machen, dass eine Bewertung unwahre Tatsachenbehauptungen enthält. Dieser ist verpflichtet die Vorwürfe zu prüfen und ggf. die Beiträge zu löschen.

Fazit:

Die Entscheidung des BGH ist zu begrüßen. Denn die Richter konkretisieren die Pflichten der Betreiber von Ärztebewertungsportalen. Der BGH schränkt das weit verbreitete Unwesen anonymer Negativbewertungen ein und stärkt damit die Rechte der in ihrem Persönlichkeitsrecht Betroffenen.

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