07.09.2016 -

Die Wahrnehmung von Mitbestimmungsrechten obliegt in erster Linie dem von den Arbeitnehmern unmittelbar durch Wahl legitimierten Betriebsrat. Dieser hat die Interessen der Belegschaft der einzelnen Betriebe gegenüber dem Unternehmer wahrzunehmen. Nur in Ausnahmefällen ist der Gesamtbetriebsrat bzw. Konzernbetriebsrat zuständig, §§ 50, 58 BetrVG. Der 1. Senat des Bundesarbeitsgerichts hatte nun die wichtige Frage zu entscheiden, ob diese Grundsätze auch dann gelten, wenn im Rahmen eines Konzernverbundes Arbeitnehmer im Rahmen von Werk- oder Dienstverträgen zu einem anderen Konzernunternehmen entsandt werden (BAG, Urteil v. 26.01.2016 – 1 ABR 68/13). Die Entscheidung macht einmal mehr deutlich, dass die Frage der Zuständigkeit des Gesamt- bzw. Konzernbetriebsrats im Verhältnis zum Einzelbetriebsrat genau geprüft werden muss. Wir möchten die wesentlichen Grundsätze hier darstellen.

Der Fall:

Der antragstellende Arbeitgeber ist die Konzernobergesellschaft eines Krankenhauskonzerns. Bei ihm ist der am Verfahren beteiligte Konzernbetriebsrat errichtet.

Im Rahmen des Konzerns betreibt der Arbeitgeber ein Klinikum. Bei diesem ist der ebenfalls beteiligte Betriebsrat gebildet.

In diesem Klinikum sind zu Überwachungszwecken verschiedene Kameras und Monitore installiert. So dienen zwei Kameras der Kontrolle des Zugangs und der Flurüberwachung. Auf dem Außengelände des Klinikums sind weitere 20 Kameras eingesetzt. Die Bilder der Kamera werden auf fünf Monitore in unterschiedlicher Weise wiedergegeben.

Von den Kameras werden auch Arbeitnehmer von anderen Konzernunternehmen aufgenommen, die im Klinikum Werk- oder Dienstleistungen für ihren Vertragsarbeitgeber erbringen.

Der Konzernbetriebsrat hat die Auffassung vertreten, er sei insbesondere wegen der Aufzeichnung der Arbeitsleistung von Arbeitnehmern anderer Konzernunternehmen nach § 58 BetrVG zuständig. Wegen dieses Streits hat der Arbeitgeber Feststellung beantragt, dass dem Konzernbetriebsrat hinsichtlich der Einführung und Anwendung der Überwachungsanlagen kein Mitbestimmungsrecht zusteht.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat ihn hingegen im Beschwerdeverfahren abgewiesen.

Die Entscheidung:

Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats abgelehnt und die arbeitsgerichtliche Entscheidung wieder hergestellt.

I. Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG

Zunächst hat das Bundesarbeitsgericht nochmals klargestellt, dass die Ausgestaltung des Kameraüberwachungssystems dem Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG unterliegt. Nach dieser Vorschrift hat der Betriebsrat u.a. mitzubestimmen bei der Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Bei den im Klinikum eingesetzten Kameras und Monitoren handelte es sich um eine solche technische Einrichtung. Hierüber bestand zwischen den Beteiligten auch kein Streit.

II. Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats?

In erster Linie ist nach der Kompetenzzuweisung des Betriebsverfassungsgesetzes der Einzelbetriebsrat zuständig. Diese Aufgaben werden dem Konzernbetriebsrat nach § 58 Abs. 1 S. 1 BetrVG nur für den Fall zugewiesen, dass die zu regelnde Angelegenheit nicht auf den einzelnen Betrieb oder das konzernangehörige Unternehmen beschränkt ist und deshalb die Interesse der Arbeitnehmer nicht mehr auf der betrieblichen Ebene bzw. der des Unternehmens gewahrt werden können. Erforderlich ist, dass es sich zum einen um eine mehrere Unternehmen betreffende Angelegenheit handelt und zum anderen objektiv ein zwingendes Erfordernis für eine unternehmensübergreifende Regelung besteht. Das Vorliegen eines zwingenden Erfordernisses bestimmt sich nach Inhalt und Zweck des Mitbestimmungstatbestandes, der einer zu regelnden Angelegenheit zugrunde liegt.

Hinweis für die Praxis:

Maßgeblich sind stets die konkreten Umstände im Konzern und in den einzelnen Unternehmen. Allein der Wunsch des Arbeitgebers oder der betroffenen Arbeitnehmervertretungen nach einer konzerneinheitlichen oder unternehmensübergreifenden Regelung, ein Kosten- oder Koordinierungsinteresse sowie reine Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte genügen nicht, um in Angelegenheiten der zwingenden Mitbestimmung die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats zu begründen.

III. Arbeitnehmer von Drittunternehmen nicht ausschlaggebend

Der Betriebsrat hat für Arbeitnehmer von Drittunternehmen – unabhängig von deren Konzernzugehörigkeit – keine Regelungsbefugnis. Für die im Rahmen von Werk- oder Dienstverträgen zu einem Fremdarbeitgeber entsandten Arbeitnehmer, die einer in dessen Betrieb eingerichteten Überwachungseinrichtung unterliegen, sind – auch im Konzernverbund – allein deren Vertragsarbeitgeber und dessen Betriebsrat zuständig. Hieraus folgt keinesfalls eine übergreifende Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats. Dabei ist es auch ohne Belang, ob es sinnvoll wäre, dass eingesetzte Überwachungskameras durch eine Konzernbetriebsvereinbarung für alle betroffenen Arbeitnehmer in den konzernangehörigen Unternehmen einheitlich ausgestaltet werden sollten. Solche Zweckmäßigkeitserwägungen vermögen eine Verlängerung der Regelungsbefugnis von den originär zuständigen Betriebsräten für die von ihnen vertretenen Arbeitnehmer auf den Konzernbetriebsrat nach zutreffender Auffassung des Bundesarbeitsgerichts nicht zu begründen.

Fazit:

Der Konzernbetriebsrat ist (ebenso wie der Gesamtbetriebsrat) nur in Ausnahmefällen zuständig. Maßgeblich sind die Voraussetzungen der §§ 50, 58 BetrVG. Nur in solchen Angelegenheiten, die den Konzern oder mehrere Konzernunternehmen betreffen und nicht durch die einzelnen Gesamtbetriebsräte innerhalb ihrer Unternehmen geregelt werden können, ist der Konzernbetriebsrat zuständig. In allen anderen Fällen bleibt es bei der originären Zuständigkeit des Einzelbetriebsrats. Beteiligt der Arbeitgeber das unzutreffende Gremium, sind alle Vereinbarungen unwirksam. Auf die Frage der Zuständigkeit ist daher besondere Sorgfalt zu verwenden.

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