Das Gesetz kennt insgesamt vier Wege, wie ein bereits bestehendes Testament widerrufen werden kann. Zum einen kann man sich darauf beschränken, ein sogenanntes Widerrufstestament zu errichten. In diesem Testament ordnet der Erblasser lediglich an, dass sein bereits bestehendes – also früher errichtetes – Testament widerrufen wird. Soweit dieses Widerrufstestament keine weiteren Anordnungen enthält, lässt der Erblasser durch den Widerruf die gesetzliche Erbfolge zur Anwendung gelangen.

Dieselbe Wirkung wie ein schriftliches Widerrufstestament wird erzielt, wenn das bereits errichtete Testament vernichtet wird. Vernichten bedeutet in diesem Sinne nur die vollständige und gewollte Zerstörung der Urkunde. Ein Verlust oder die Nicht-Auffindbarkeit sind der Vernichtung nicht gleichzusetzen. Ein vor einem Notar errichtetes (sogenanntes öffentliches) Testament, das in die amtliche Verwahrung gegeben wurde, wird schon durch die Rücknahme aus der Verwahrung widerrufen. Eine solche Rücknahme ist jederzeit möglich, wobei das Testament allerdings nur an den Erblasser persönlich zurückgegeben werden darf. Schließlich wird ein bestehendes Testament durch ein nachfolgendes Testament insoweit aufgehoben, als das spätere mit dem früheren Testament im Widerspruch steht.

Bei allen vom Gesetz vorgesehenen Wegen zum Widerruf eines Testaments kommt es in der Praxis immer wieder zu Problemen und Fallstricken. Zu zwei Fragestellungen hat sich nunmehr das Kammergericht Berlin äußern müssen:

1. Widerruf des Testaments durch E-Mail nicht ausreichend

Der Erblasser hatte in zwei handschriftlichen Testamenten Verfügungen von Todes wegen vorgenommen. Einige Jahre später hatte er dem in den Testamenten eingesetzten Testamentsvollstrecker in einer E-Mail geschrieben, dass er sein gesamtes Vermögen schon zu Lebzeiten an Begünstigte übertragen habe, er weiter nichts mehr zu vererben habe und er daher hinsichtlich der verbliebenen Gegenstände von gesetzlicher Erbfolge ausgehe.

Auch das Widerrufstestament unterliegt den strengen Formvorschriften, die bei der Errichtung eines Testaments immer zu beachten sind. Die E-Mail des Erblassers an den Testamentsvollstrecker erfüllte nicht die Anforderungen an ein neues eigenhändiges Testament. Eine E-Mail ist kein eigenhändig geschriebenes Dokument, weil weder der Text selbst noch die Unterschrift vom Erblasser selbst geschrieben ist. Der Widerruf eines eigenhändigen Testaments durch E-Mail ist also nicht ausreichend.

2. Vorsicht bei der Vernichtung eines Testaments durch einen Dritten

Der Erblasser hatte zudem zu einem anderen Zeitpunkt den eingesetzten Testamentsvollstrecker telefonisch darum gebeten, das andere handschriftliche und bei ihm verwahrte Testament zu vernichten. Dabei ist umstritten, ob eine wirksame Vernichtung des Testaments zu Lebzeiten des Erblassers auch in der Weise geschehen kann, dass er sich dabei einer anderen Person bedient. Grundsätzlich muss der Erblasser die Testamentsurkunde höchstpersönlich vernichten. Zwar wird von der überwiegenden Rechtsprechung angenommen, dass die Vernichtung durch eine andere Person dann wirksam ist, wenn dieser Dritte keinen eigenen Entscheidungsspielraum hatte und – quasi als unselbstständiges Werkzeug – im Auftrag des Testators und mit dessen Willen die Handlungen vornimmt. Allerdings sind – wie auch in dem vom Kammergericht entschiedenen Fall – in der Praxis die bedeutsamen Fragen nur sehr schwer zu beantworten. Kann nicht rechtssicher festgestellt werden, ob die Vernichtung des Testaments im Auftrag und im Willen des Erblassers erfolgte, muss nach dem eingetretenen Erbfall davon ausgegangen werden, dass das Testament weiterhin wirksam ist.

Fazit für die Praxis:
Auch der Widerruf eines bereits errichteten (handschriftlichen) Testaments ist in der Praxis sehr problemanfällig. Selbst wenn ein reines Widerrufstestament (oder weitere letztwillige Anordnung) errichtet werden soll, besteht schon das Risiko, dass durch kleine Ungenauigkeiten oder Fehler die gewünschte Rechtsfolge ausbleibt. Erfolgt der Widerruf eines früheren Testaments durch Errichtung eines neuen Testaments mit nur teilweise abweichenden Regelungen, stellt sich in der Praxis regelmäßig die Frage, welche Anordnungen tatsächlich widerrufen und welche demgegenüber beibehalten werden sollten. Das Ändern oder Ergänzen von Testamenten sollte daher stets mit größtmöglicher Sorgfalt und Vorbereitung erfolgen.

(Kammergericht Berlin, Beschluss vom 15.04.2016, AZ: 6 W 64/15)

 

 

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