27.05.2018 -

Kirchliche Unternehmen können in Einzelarbeitsverträgen von den kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien abweichen und die darin vorgesehene Vergütung unterschreiten, urteilte am 24. Mai 2018 das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt (BAG, Urteil vom 24.5.2018 – 6 AZR 308/17, Pressemitteilung des BAG Nr. 26/2018).


Das Bundesarbeitsgericht hält in einem aktuellen Urteil Abweichungen von den im AVR festgelegten kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien für wirksam.

Der Entscheidung lag die Klage einer Alltagsbegleiterin zu Grunde, die bei einer gemeinnützigen GmbH tätig war. Die GmbH war auf Grund ihrer Mitgliedschaft im Diakonischen Werk verpflichtet, die Arbeitsvertragsrichtlinien der Diakonie Deutschland (AVR-DD) in der jeweils geltenden Fassung zur Anwendung bringen. In den mit den Beschäftigten geschlossenen Arbeitsverträgen wurde jedoch nur eine Anlehnung an die AVR-DD niedergelegt und insbesondere in Bezug auf Jahressonderzahlung und Vergütungssteigerungen eine Abweichung vereinbart. Die Alltagsbegleiterin erhob Klage und machte die sich aus der AVR-Abweichung ergebenden Differenzbeträge geltend.

Die Entscheidung des BAG

Die Klage hatte auch vor dem BAG keinen Erfolg. Die BAG Richter wiesen darauf hin, dass die verletzten kirchengesetzlichen Regelungen den kirchlichen Arbeitgeber nur im kirchlichen Rechtskreis binden. Insofern sei bei einem Verstoß mit kirchenrechtlichen Sanktionen und einer Zustimmungsverweigerung der Mitarbeitervertretung zur Eingruppierung zu rechnen. Die Missachtung kirchengesetzlicher Vorgaben berühre aber nicht die Wirksamkeit einer anderslautenden vertraglichen Vereinbarung. Die einschlägigen Satzungsbestimmungen des Diakonischen Werks evangelischer Kirchen in Niedersachsen e.V. entfalten keine drittschützende Wirkung, welche die Klägerin in Anspruch nehmen könnte.

Hintergrund

Für über eine Million Beschäftigte von Caritas und Diakonie in Deutschland gelten sogenannte Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR), in denen sich die kirchlichen Arbeitgeber mit Arbeitnehmervertretungen im sog. „Dritten Weg“ auf Arbeitsbedingungen und Vergütung geeinigt haben. Im Unterschied zu Tarifverträgen entfalten die kollektiven Arbeitsvertragsrichtlinien jedoch keine unmittelbare und zwingende Wirkung. Ihre Geltung muss vielmehr durch eine einzelvertragliche Regelung vereinbart werden.

Zuletzt hat sich die Rechtsprechung immer wieder mit den sich hieraus ergebenden Besonderheiten befasst. Noch im November 2017 urteilte das BAG, dass eine im Einzelarbeitsvertrag niedergelegte Bezugnahmeklausel auf die Arbeitsvertragsrichtlinien in ihrer jeweils geltenden Fassung (sog. dynamische Verweisung) nach einem Betriebsübergang auch einen nichtkirchlichen Betriebserwerber bindet (BAG, Urteil vom 23. November 2017- 6 AZR 683/16). Dieser wurde damit auch zur Weitergabe von Vergütungssteigerungen verpflichtet.

Fazit für die Praxis

Den AVR von Caritas und Diakonie kommt ein Sonderstatus zu, der auch in der Praxis immer wieder für Unklarheiten sorgt. Auch wenn das BAG nun eine Abweichung von den darin festgelegten Arbeitsbedingungen für wirksam hielt, ist zu bedenken, dass es sich um einen Verstoß gegen kirchenrechtliche Regelungen handelt, der auch zu Sanktionen führen kann.

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