15.06.2018 -

Mit Beschluss vom 6. Juni 2018 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden: Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) aus dem Jahr 2011 zur Auslegung des Vorbeschäftigungsverbots bei sachgrundloser Befristung überschreitet die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung. (BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14; Pressemitteilung Nr. 47/2018 vom 13. Juni 2018).

In der Praxis ist mit weitreichenden Auswirkungen zu rechnen. Worum geht es genau?


Arbeitgeber, die sich bislang an der Rechtsprechung des BAG orientiert und auf dieser Basis sachgrundlose Befristungen mit Arbeitnehmern vereinbart haben, müssen nun mit Entfristungsklagen rechnen.

Die sachgrundlose Befristung

Arbeitsverhältnisse können gemäß § 14 Abs. 2 des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (TzBfG) für die Dauer von bis zu zwei Jahren ohne Sachgrund befristet werden. Die Befristung ohne Sachgrund ist in der Praxis eine häufig und rechtssicher genutzte Gestaltung. Sie scheidet aber nach der gesetzlichen Regelung aus „wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat“.

Rechtsprechung des BAG seit 2011

Das BAG hatte 2011 entschieden, dass eine Vorbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber einer Befristung ohne Sachgrund nicht entgegenstehe, wenn diese Vorbeschäftigung mehr als drei Jahre zurückliegt (BAG vom 6. April 2011 – 7 AZR 716/09). Hiermit gab es für einige Jahre ein gut handhabbares Kriterium für die Praxis. Diese – schon zuvor nicht unumstrittene – Rechtsprechung des BAG wurde nun vom BVerfG gekippt.

Hinweis des Bundesverfassungsgerichts für Einzelfälle

Das Bundesverfassungsgericht betonte in seinem Beschluss aber auch die Möglichkeit einer etwas weiteren Auslegung in Einzelfällen. So sei das Verbot der sachgrundlosen Befristung bei nochmaliger Einstellung bei demselben Arbeitgeber unzumutbar, soweit eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten nicht bestehe und das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich sei, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten. Dies könne insbesondere der Fall sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lange zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist.

Mögliche gesetzliche Klarstellung?

Der Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU/CSU sieht eine Neuregelung des Befristungsrechts vor. In diesem Zusammenhang ist auch geplant, die bislang vom Bundesarbeitsgericht angewandte Begrenzung des Anschlussverbots auf drei Jahre im Gesetzestext festzuschreiben (wörtlich heißt es im Koalitionsvertrag: „Ein erneutes befristetes Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber ist erst nach Ablauf einer Karenzzeit von drei Jahren möglich.“).

Konsequenzen für die Praxis

Arbeitgeber, die sich bislang an der Rechtsprechung des BAG orientiert und auf dieser Basis sachgrundlose Befristungen mit Arbeitnehmern vereinbart haben, müssen nun mit Entfristungsklagen rechnen. Ob die bisherige Rechtsprechung des BAG für Befristungen seit 2011 einen Vertrauensschutz gewährt, ist noch unklar. Einzelne Instanzgerichte hatten die Rechtsprechung des BAG schon zuvor in Frage gestellt und diesbezüglich einen Vertrauensschutz ausgeschlossen (LAG Baden-Württemberg Urteil vom 13.10.2016, 3 Sa 34/16).

Bei aktuellen Befristungen muss die Vorbeschäftigung daher wieder unbeschränkt geprüft werden. Es bleibt aber abzuwarten, ob eine Einschränkung des Vorbeschäftigungsverbotes gesetzlich verankert wird.

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