02.07.2018

Kommt es aufgrund von Steuerschulden oder anderen Verbindlichkeiten zu einer Gewerbeuntersagung, kann dies für den Betroffenen gravierende Folgen nach sich ziehen (siehe auch diesen Beitrag zum Thema). Problematisch ist hierbei vor allem die sogenannte „Erweiterte Gewerbeuntersagung“. Diese kann folgende Verbote umfassen:

  • die Untersagung jeder selbstständigen Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragten Person
  • die Untersagung der selbstständigen Ausübung sämtlicher Gewerbe im Geltungsbereich der Gewerbeordnung

Es spielt dabei kaum eine Rolle, ob es sich um erlaubnispflichtige Gewerbe handelt, wie beispielsweise

oder um nicht erlaubnispflichtige Gewerbe (vgl. § 35 Abs. 1 GewO).


Wenn dem Betrieb wegen Steuerschulden die Gewerbe-Erlaubnis entzogen wird, klingen Versprechen nach schneller Wiederherstellung der „Geschäftsfähigkeit“ durch anonyme Firmengründung zunächst verlockend. Doch solche Angebote sind legal nicht zu realisieren. 

Letzter Ausweg Strohmann?

So mancher Betroffene verfällt dann auf den Gedanken, sich der Gewerbeuntersagung durch die Begründung einer Strohmann- oder Treuhandkonstruktion zu entziehen. Darauf spezialisierte „Dienstleister“ werben im Internet ganz offen mit ihrem „Service“ bei einer
Gewerbeuntersagung über angeblich anonyme Firmengründungen, anonyme GmbH, anonyme UG, Treuhand-GmbH oder Treuhand-UG. Der „Service“ erstreckt sich dann regelmäßig auch auf die Bestellung eines Treuhand-Gesellschafters und eines Treuhand-Geschäftsführers.

Das Versprechen, Sie schnell „wieder geschäftsfähig zu machen“ (obwohl Sie trotz des
Untersagungsverfahrens tatsächlich nie wirklich geschäftsunfähig waren) klingt zunächst verlockend. Aber: Ein Strohmann oder eine Treuhand hilft nicht weiter!

Bevor Sie sich auf solch fragwürdige Dienstleister verlassen, sollten Sie Folgendes beachten:

1. Legal ist keine steuerrechtliche Anonymität erreichbar

Vordergründig ist es Ihnen ohne weiteres möglich, über ein verdecktes Treuhandverhältnis eine Gesellschaft (GmbH, UG, etc.) zu gründen oder zu kaufen. Vordergründig ist es Ihnen dabei genauso möglich, über diese Gesellschaften das Gewerbe „verdeckt“ oder „anonym“ fortzuführen. Anonym bleiben Sie damit dennoch nicht, zumindest nicht gegenüber dem Finanzamt.

Denn das Treuhandverhältnis ist gegenüber dem Finanzamt offenzulegen,

  • entweder durch den Notar (Anzeigepflichten aus § 34 ErbStG, § 54 EStDV, § 40 GmbHG), wenn er davon erfährt,
  • durch Sie oder aber durch den Treuhänder/Strohmann selbst, um eine zutreffende Zuordnung der Einkünfte und damit auch zutreffende Besteuerung sicherzustellen.

Hier hilft ein Blick in die Abgabenordnung (AO) und die Finanzrechtsprechung:

  • Wirtschaftsgüter – und damit Anteile an Gesellschaften wie GmbH und UG – sind dem (formalen/zivilrechtlichen) Eigentümer zuzurechnen (§ 39 Abs. 1 AO).
  • Abweichend von der zivilrechtlichen Eigentümerstellung an Wirtschaftsgütern ist bei Vorliegen eines Treuhandverhältnisses das Treugut (die Anteile an Gesellschaften wie GmbH und UG) steuerrechtlich dem Treugeber zuzurechnen (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO). Die Vorschrift setzt ein steuerlich anzuerkennendes Treuhandverhältnis voraus.
    Das Wesen einer Treuhand ist dadurch gekennzeichnet, dass der Treuhänder nach außen hin Eigentümer des Treuhandgutes ist, die Rechte und Pflichten aus dem Eigentum aber nicht für eigene Rechnung, sondern nach den Weisungen des Treugebers (hier des von der Gewerbeuntersagung Betroffenen) für dessen Rechnung ausübt.
  • Wer behauptet, dass er Rechte (auch Gesellschaftsrechte), die auf seinen Namen lauten, nur als Treuhänder oder Vertreter eines anderen innehabe, hat auf Verlangen (des Finanzamts) nachzuweisen, wem die Rechte gehören; andernfalls sind sie ihm regelmäßig zuzurechnen. Das Recht der Finanzbehörde, den Sachverhalt zu ermitteln, wird dadurch nicht eingeschränkt (§ 159 AO Nachweis der Treuhänderschaft).
  • Treuhänder/Strohmänner müssen im eigenen Besteuerungsverfahren alles Zumutbare unternehmen, um den Nachweis zu erbringen, dass es sich bei den von ihnen verwahrten Rechten nicht um eigenes, sondern um fremdes Vermögen handelt (BFH-Beschluss vom 23.02.2011 – VIII B 126/10 und BFH-Urteil vom 27.09.2006 IV R 45/04).
  • Nach der Rechtsprechung des BFH ist für die Anerkennung der Treuhandschaft ein klarer und eindeutiger Nachweis erforderlich (BFH-Beschluss vom 23.02.2011 – VIII B 126/10, und BFH-Urteil vom 13.10.1998 – VIII R 61/96).

Wird das Treuhandverhältnis nicht offengelegt, erfolgen die Vermögens- und Einkünftezurechnung und auch die daraus resultierenden Steuerfolgen ausschließlich beim Treuhänder/Strohmann. Das können weder Sie noch er wollen.

Kommt es zum Streit – wenn Sie also ein wirksames Treuhandverhältnis nicht beweisen können –, gehören Ihrem Strohmann im Zweifel nicht nur das Vermögen und die Erträge, die er dann zwar auch versteuern muss. Sie jedenfalls verfügen aber über keinen sicheren Rechtsanspruch auf das Vermögen und die Erträge Ihrer Arbeit und haben keine wirksame Einflussmöglichkeit auf ihn. Ganz zu schweigen davon machen Sie sich erpressbar und werden im Zweifel bereit sein, völlig unangemessenen Forderungen Ihres Strohmanns nachzugeben. Das kann nicht Ihr Ziel sein!

Wird das Treuhandverhältnis allerdings pflichtgemäß offengelegt, erfährt die
Finanzverwaltung von der Fortdauer der Gewerbeausübung durch den Betroffenen.
Sie wird voraussichtlich sofort eine erneute Mitteilung an die Gewerbeaufsicht veranlassen. Gewonnen ist damit nichts!

2. Gewerberechtliche Risiken von Strohmann-Gestaltungen

  • Was versteht man gewerberechtlich unter einem Strohmann?

Von einem „Strohmann“ spricht man im Gewerberecht, wenn jemand (der Strohmann) zur Verschleierung der tatsächlichen Verhältnisse als Gewerbetreibender vorgeschoben wird, das in Frage stehende Gewerbe in Wirklichkeit aber von einem anderen betrieben wird. Die eine Person gibt nur ihren Namen für den Gewerbebetrieb her und dient dem wahren Gewerbetreibenden als „Aushängeschild“ (…) In der Rechtsprechung ist der Strohmann auch als jederzeit steuerbare Marionette bezeichnet worden, die von dem „Hintermann“ vorgeschoben wird, um zwecks Täuschung des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs die wahren faktisch-wirtschaftlichen Machtverhältnisse zu verschleiern.“
(BVerwG, Urteil vom 14. Juli 2003, 6 C 10/03)
„Ein Strohmannverhältnis ist dann anzunehmen, wenn ein Gewerbetreibender zur Verschleierung der wirklichen Machtverhältnisse eine natürliche oder juristische Person vorschiebt, die ohne eigene unternehmerische Tätigkeit quasi als Marionette des Gewerbetreibenden am Wirtschaftsleben teilnimmt“
(VG Sigmaringen, Beschluss vom 18.06.2006 – 1 K 635/06 -vgl. auch VG Oldenburg (Oldenburg), Urteil vom 16.08.2017 – 15 A 3952/16)

Im Fall VG Sigmaringen hatte ein Gewerbetreibender zur Umgehung der Gewerbeun-tersagung eine Britische Limited gegründet, unter deren Deckmantel er das Gewerbe weiterbetrieb – ohne Erfolg! Dasselbe fruchtlose Ergebnis bringt die Errichtung einer GmbH (VGH Mannheim, Beschluss vom 08.11.2004 – 6 S 593/04).

  • Sanktionen und Konsequenzen bei Strohmann-Gestaltungen

Gewerbeuntersagung gegen Stroh- und Hintermann: Die Rechtsprechung stellt klar, dass eine Gewerbeuntersagung durch Strohmanngestaltungen und gleichzusetzende Treuhandgestaltungen nicht umgangen werden kann (so letztlich auch VGH Mannheim, Beschluss vom 08.11.2004 – 6 S 593/04; VGH Kassel, Beschluss vom 04.09.2012, 6 B 1557/12 und OVG Bremen, Beschluss vom 09.10.2012 – 2 B 240/12). Vielmehr kommt eine zusätzliche Untersagungsverfügung wegen Unzuverlässigkeit auch gegen den Strohmann/Treuhänder/Treuhand-Geschäftsführer in Betracht.

„Die Unzuverlässigkeit des Hintermanns wird sich in der Praxis in der Regel leicht begründen lassen, da gerade seine Unzuverlässigkeit der Grund dafür ist, dass er nach außen hin einen „an sich unbescholtenen“ Strohmann vorgeschoben hat. Und ist der Hintermann unzuverlässig, so lässt sich damit gleichzeitig auch eine Unzuverlässigkeit des Strohmanns begründen, die daraus folgt, dass er einem unzuverlässigen Hintermann die gewerbliche Betätigung ermöglicht“.
(Zitat aus: Scheidler, Der Strohmann im Gewerberecht, VR 2015, S. 150-155)

Bußgeld: Dazu kommt die Gefahr eines Bußgelds wegen des Verstoßes gegen die behördliche Untersagungsverfügung – auch als Hintermann oder Treugeber, § 146 Abs. 1 Nr. 1a GewO.

Ordnungswidrigkeitsverfahren: Wird ein zulassungspflichtiges Handwerk über einen Strohmann betrieben, liegt ein Verstoß gegen § 1 Handwerksordnung in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Nr. 1d und e SchwarzArbG (Nichtnachkommen der Verpflichtung zur Anzeige vom Beginn des selbstständigen Betriebs eines stehenden Gewerbes nach § 14 GewO bzw. selbstständiges Betreiben eines zulassungspflichtigen Handwerks als stehendes Gewerbe, ohne in die Handwerksrolle eingetragen zu sein) nahe.

Selbstständiges Verfallsverfahren, § 29a OWiG:

Worum geht es beim gewerberechtlichen Verfall? Unrecht darf sich nicht lohnen. Das muss für kriminelles Unrecht gleichermaßen gelten wie für Verstöße gegen Normen, die der Durchsetzung einer bestimmten Ordnung dienen (Schmidt, Gewinnabschöpfung im Straf- und Bußgeldverfahren, 2006, Rn. 1241). Es ist dafür Sorge zu tragen, dass ein Täter nicht günstiger steht, als er ohne die Zuwiderhandlung stünde. Der Gesetzgeber will mit der strafrechtlichen Gewinnabschöpfung eine Störung der Vermögensordnung beseitigen und so der materiellen Rechtsordnung Geltung verschaffen (zitiert aus: BeckOK OWiG/Meyberg OWiG § 29a Rn. 1-5, beck-online).

Abgeschöpft werden soll durch den Verfall also alles, was die Beteiligten durch die Ordnungswidrigkeit erlangt haben. Exemplarisch verweisen wir auf den Beschluss des OLG Stuttgart vom 29.03.2017 – 1 Ws 8/17 –, juris, wo es um die Strohmanngestaltung eines Malers und Stuckateurs ging, bei dem 390.000 Euro dem Verfall ausgesetzt waren:

„Ebenso nicht zu beanstanden sind die Ausführungen des Landgerichts … zu der Bestimmung der Höhe der Arrestanordnung, die … auf einer gemäß § 29a Abs. 3 Satz 1 OWiG zulässigen Schätzung auf der Grundlage der Richtsätze des Bundesministeriums der Finanzen beruhen. Zutreffend wird in der Anordnung das im Rahmen des § 29a OWiG geltende Bruttoprinzip zugrunde gelegt, wonach der Zugriff nicht auf Gewinne, sondern auf das Erlangte erfolgt, so dass grundsätzlich all das, was unmittelbar für oder aus der Handlung erlangt ist, ohne Abzug gewinnmindernder Kosten abgeschöpft werden kann.

Der Verfall kann gemäß § 29a Abs. 1 OWiG bis zu der Höhe des Geldbetrages, der dem Wert des Erlangten entspricht, angeordnet werden; mittlerweile geht das Amt für öffentliche Ordnung von einem für das Hauptsacheverfahren errechneten „Erlangten‘“ der Betroffenen in Höhe von etwa 518.000,- € aus, so dass der Betrag von 390.000,- € jedenfalls erreicht ist.“

Dinglicher Arrest:

Durch den dinglichen Arrest kann Vermögen der Betroffenen (Strohmann und
Hintermann!) beschlagnahmt werden, wenn ein Verfall im Raum steht. Wir zitieren erneut aus dem vorstehenden Beschluss des OLG Stuttgart vom 29.03.2017:

„Die Voraussetzungen der Anordnung des dinglichen Arrests nach §§ 46 Abs. 1, 29a Abs. 1 – hilfsweise Abs. 2 – und Abs. 4 OWiG, 111b Abs. 2, 111d, 111e StPO gegen die Betroffene als Beteiligte i.S.d. § 14 OWiG liegen vor. …
Der für eine Arrestanordnung gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 111b Abs. 2 StPO erforderliche Arrestanspruch liegt nach Auffassung des Senats in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Landgerichts Stuttgart in dem angefochtenen Beschluss vor. Das Landgericht hat die Verdachtsmomente, die für ein Tätigwerden der Betroffenen als Strohfrau und damit für das Vorliegen von Ordnungswidrigkeiten gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1d und e SchwarzArbG i.V.m. § 1 Handwerksordnung, §§ 146 Abs. 1 Nr. 1a, 35 GewO, § 14 OWiG sprechen, zutreffend gewertet.“

3. Fazit und Mahnung:

Mit Strohmann- und Treuhandgestaltungen im Fall einer ergangenen Gewerbeuntersagung

  • erreichen Sie gewerberechtlich im Ergebnis nichts, vor allem nicht die versprochene Anonymität,
  • riskieren Sie Ermittlungsverfahren, Bußgelder und steuerstrafrechtliche Konsequenzen,
  • verlängern Sie die Dauer Ihrer unterstellten gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit und damit Ihrer Leidenszeit,
  • machen Sie dubiose Dienstleister reich, die Sie im Zweifel noch weiter in die Illegalität treiben,
  • machen Sie sich erpressbar,
  • schmeißen Sie Geld zum Fenster hinaus (unnötige Kosten des Erwerbs von Gesellschaftsbeteiligungen, vielfältige und nicht zu knappe Kosten Ihrer „Dienstleister“, Verfahrenskosten, Bußgelder, Arrest, Verfall, strafrechtliche Sanktionen, …),
  • verhalten Sie sich unredlich und verbauen Ihren Weg in eine seriöse gewerbliche Betätigung.

Was kann die Alternative sein?

Auch wenn wir keine Gewähr dafür geben können – dies hängt im Einzelfall immer auch von Ihrem jeweiligen Sachverhalt ab – so empfiehlt es sich, über legale Schritte nach-zudenken und diese mit Ihrem Anwalt abzustimmen. So spielen Sie mit offenen Karten und erreichen bestenfalls im Verhandlungsweg eine Wiedergestattung durch

  • Sanierungskonzepte,
  • Verhandlungen mit dem Finanzamt,
  • Einbindung geeigneter Dritter als Geldgeber und Investoren,
  • ernsthaftes Zurücktreten aus der bisher leitenden und eigenverantwortlichen Position,
  • Gründung von Gesellschaften, die Ihnen – bspw. durch Einbindung geeigneter Dritter/Investoren – die gewerbliche Wiederbetätigung, wenn auch nicht als Betriebsleiter oder Geschäftsführer, gestatten.

Das Fazit lautet: Hände weg von Strohmanngestaltungen!

Lorbeerkranz

Auszeichnungen

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2022/2023)

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2017-2021)

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