Das Arbeitsgericht Köln hat ein mindestens 30-sekündiges Fußball schauen über einen Livestream auf einem dienstlichen Computer während der Arbeitszeit als abmahnungsfähig angesehen (ArbG Köln v. 28.8.2017, 20 Ca 7940/16). Trotz des nachgewiesenen nur sehr kurzen zeitlichen Verstoßes liegt nach Auffassung des Arbeitsgerichts Köln kein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vor. Auch ein Verschulden des Arbeitnehmers ist für den Ausspruch einer Abmahnung nicht notwendig.
Bereits 30 Sekunden Fußballschauen auf dem dienstlichen Computerbildschirm rechtfertigen aus Sicht des Arbeitsgerichts Köln eine Abmahnung.
Der Fall:
Der Kläger ist bei dem beklagten Arbeitgeber seit 1988 als Mechaniker beschäftigt. Er nahm am 25. Februar 2016 gegen 17.00 Uhr seine Arbeit in der Spätschicht auf und stellte zunächst die von ihm bedienten Maschinen an.
Kurze Zeit später wurde er von seinem Kollegen gerufen, der etwa 10 bis 15 Meter vom Arbeitsplatz des Klägers entfernt vor einem dienstlichen Computerbildschirm saß. Der Kläger ging zu seinem Kollegen hin und sah, dass dieser über einen Livestream ein Fußballspiel ansah. Er setzte sich sodann zu seinem Kollegen.
Später erschien der Werksleiter und stellte fest, dass der Kläger gemeinsam mit dem weiteren Kollegen vor einem dienstlichen Computer saß, auf dem ein Fußballspiel übertragen wurde. Beide wurden daraufhin schriftlich abgemahnt.
Der Kläger bestreitet den Vorwurf. Er habe seinem Kollegen nur erklären wollen, dass er während der Arbeitszeit kein Fußball schauen dürfe. Die Abmahnung sei daher unwirksam und aus der Personalakte zu entfernen.
Die Entscheidung:
Das Arbeitsgericht Köln hat einen Entfernungsanspruch abgelehnt.
I. Entfernungsanspruch
Arbeitnehmer können in entsprechender Anwendung von §§ 242, 1004 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen. Dieser Anspruch besteht, wenn die Abmahnung entweder inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt. Der Anspruch besteht auch dann, wenn selbst bei einer zurecht erteilten Abmahnung kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers mehr für deren Verbleib in der Personalakte besteht.
II. Fußball schauen während der Arbeitszeit als Pflichtverletzung
Das Anschauen eines Fußballspiels an einem dienstlichen Computer über einen Livestream während der Arbeitszeit ist vergleichbar mit einer Pflichtverletzung durch private Internetnutzung während der Arbeitszeit. Nach ständiger Rechtsprechung verletzt der Arbeitnehmer damit seine Hauptleistungspflicht zur Arbeit. Die Pflichtverletzung wiegt dabei umso schwerer, je mehr der Arbeitnehmer bei der privaten Nutzung seine Arbeitspflicht in zeitlicher und inhaltlicher Sicht vernachlässigt.
Diese objektive Pflichtverletzung war hier gegeben. Im Rahmen einer Beweisaufnahme und durch Zeugenvernehmung hat das Arbeitsgericht die Pflichtverletzung festgestellt. Dabei muss eine solche Pflichtverletzung nur objektiv vorliegen. Ein Verschulden des Arbeitnehmers ist keine Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer erteilten Abmahnung. Das beanstandete Verhalten muss dem Arbeitnehmer also nicht subjektiv vorwerfbar sein. Damit kann eine Abmahnung auch dann ausgesprochen werden, wenn der Arbeitnehmer schuldlos seine vertraglichen Pflichten verletzt.
Die Abmahnung hat auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen. Dem Arbeitgeber bleibt es auch bei leichterem Fehlverhalten überlassen, ob er aus Beweisgründen den Ausspruch einer schriftlichen Abmahnung für erforderlich hält. Eine Abmahnung ist nicht allein deswegen unzulässig, weil der Arbeitgeber auch über den erhobenen Vorwurf hinwegsehen könnte. Denn damit würde der Arbeitgeber zwangsläufig zu erkennen geben, er nehme an der Verletzung der Vertragspflichten keinen Anstoß. Dem Arbeitgeber ist ferner zuzubilligen, gegenüber anderen Mitarbeitern durch eine Abmahnung deutlich zu machen, dass er es nicht hinnimmt, wenn die Arbeitnehmer während der Arbeitszeit beschäftigungsfremden Tätigkeiten nachgehen.
Hinweis für die Praxis:
Auch kurze zeitliche Verstöße können damit abgemahnt werden. Von Arbeitgebern ist nicht zu verlangen, dass sie vor Ausspruch einer Abmahnung zunächst eine Ermahnung aussprechen müssten.
III. Berechtigtes Interesse des Arbeitgebers am Verbleib in der Personalakte?
Abmahnungen kommt eine Doppelfunktion zu: Einerseits die Warnfunktion als milderes Mittel vor Ausspruch einer Kündigung und andererseits eine Dokumentationsfunktion im Hinblick auf die künftige Durchführung des Arbeitsverhältnisses. Nur wenn die Abmahnung im Hinblick auf beide Funktionen rechtlich bedeutungslos geworden ist, besteht ein Entfernungsanspruch. Die Warnfunktion entfällt schon nach längerem einwandfreien Verhalten des Arbeitnehmers und verliert mit der Zeit ihre Wirkung. Die Dokumentationsfunktion hat jedoch längere Wirkung. Der Arbeitnehmer kann die Entfernung einer Abmahnung nur dann verlangen, wenn diese für die weitere Fortführung seines Arbeitsverhältnisses unter keinem Aspekt mehr rechtlich relevant werden kann. Hierbei sind Entscheidungsspielräume des Arbeitgebers, etwa über Versetzungen, Beförderungen oder eine Führungs- und Leistungsbeurteilung des Arbeitnehmers in einem Zeugnis, zu berücksichtigen. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob der Abmahnung im Hinblick auf den zeitlichen Ablauf für den Ausspruch einer etwaigen Kündigung noch eine hinreichende Warnfunktion zukommt. Das berechtigte Interesse des Arbeitgebers war unter diesen Gesichtspunkten hier noch nicht entfallen.
Fazit:
Der Entscheidung ist zuzustimmen. Der Verstoß mag zwar wegen der zeitlichen Kürze von ca. 30 Sekunden nur eine geringe Pflichtverletzung darstellen. Dies lag aber auch daran, dass der Vorgesetzte des Klägers den Verstoß zügig feststellte. Arbeitgeber haben ein Interesse daran, Pflichtverletzungen, auch im leichteren Bereich, aus Präventivgründen zu sanktionieren. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird dadurch nicht verletzt.
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