12.09.2018 -

Arbeitnehmer müssen ordnungsgemäß ihre Arbeitsleistung anbieten. Nimmt der Arbeitgeber die Arbeitsleistung nicht an, gerät er in Annahmeverzug. Er muss den Lohn zahlen, auch wenn tatsächlich keine Arbeitsleistung erbracht wird. Dies gilt aber nur, wenn der Arbeitnehmer auch tatsächlich in der Lage ist, die vereinbarte Arbeitsleistung zu erbringen. Das Bundesarbeitsgericht hat diese Grundsätze nunmehr erneut klargestellt und weiter präzisiert (BAG v. 28.6.2017, 5 AZR 263/16). Die Entscheidung enthält wichtige Hinweise, die von der Praxis zu beachten sind.


Das Bundesarbeitsgericht hat erneut klargestellt, dass Arbeitgeber in Annahmeverzug geraten, sobald ein tatsächliches Angebot des Arbeitnehmers, die Arbeitsleistung zu erbringen, nicht angenommen wird.

Der Fall:

Die Klägerin ist bei dem beklagten Altenheim als „Altenpflegerin in der stationären Pflege“ seit Januar 2003 beschäftigt. Aufgrund von Rückenbeschwerden erkrankte sie 2007 für längere Zeit arbeitsunfähig. Nach ihrer Genesung kam es zu einer Zusatzvereinbarung mit folgendem Inhalt:

„Frau Dü. wird bis zur Genesung von Frau O. als Pflegefachkraft in der ambulanten Pflege Team W. umgesetzt.
Nach Wiedereintritt von Frau O. endet die Umsetzung und Frau Dü. tritt ihre Tätigkeit im Pflegeheim wieder an.“

Die Klägerin arbeitete in der Folgezeit nach dieser Vereinbarung. Im Jahre 2012 erkrankte sie erneut. Nach Ende ihrer Arbeitsunfähigkeit und eines sich anschließenden Urlaubs erschien die Klägerin am 31. Januar 2014 und bot ihre Arbeitskraft an. Nach Klärung ihrer Einsatzmöglichkeiten schickte die Hausleitung sie wieder nach Hause. Sie bot nochmals schriftlich über ihre Gewerkschaft die Arbeitsleistung an.

Die Betriebsärztin teilte im April 2014 dem Arbeitgeber mit:

„Sehr geehrte Herr D.,
am 27.02.2014 führte ich in Ihrem Auftrag ein Wiedereingliederungsgespräch mit Frau Dü. durch. Nach ausführlichem Gespräch sowie Einsehen von medizinischen Unterlagen schließe ich mich meinen Kollegen von der Deutschen Rentenversicherung an und kann für Frau Dü. nur leichte körperliche Tätigkeiten (wie Bürotätigkeit, Richten von Medikamenten, Beschäftigungstherapie für Heimbewohner, Verbandwechsel, Infusionsvorbereitung) empfehlen.
Die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft Bahn-See würde die Kosten für die notwendigen Umschulungsmaßnahmen übernehmen (z.B. Stoma-Pflege, PEG-Pflege, Port-Pflege käme hier in Frage).“

Nachdem der Arbeitgeber mit Schreiben vom 28. Februar 2014 das Arbeitsverhältnis der Parteien personenbedingt zum 30. Juli 2014 gekündigt hatte, schlossen die Parteien im Kündigungsschutzprozess einen gerichtlichen Vergleich, in dem sie vereinbarten, das Arbeitsverhältnis ab dem 1. Juli 2014 zu geänderten Bedingungen fortzusetzen. Seither arbeitet die Klägerin als Verwaltungskraft.

Mit ihrer Klage verlangt sie Vergütung wegen Annahmeverzuges für die Zeit vom 31. Januar 2014 bis 31. Mai 2014. Sie habe ordnungsgemäß ihre Arbeitsleistung angeboten. Hilfsweise verlange sie Schadensersatz. Der Arbeitgeber hätte sie schon zu einem früheren Zeitpunkt auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz umsetzen können.

Der Arbeitgeber hat hingegen Klageabweisung beantragt. Die Klägerin sei gesundheitsbedingt weder in der stationären oder mit allen anfallenden Tätigkeiten in der ambulanten Altenpflege einsetzbar gewesen. Zu einer Umorganisation zu Lasten der anderen Pflegekräfte sei er nicht verpflichtet. Die Beschäftigungsmöglichkeit in der Verwaltung habe nicht schon seit Februar 2014 bestanden.

Das Arbeitsgericht hat die Vergütungsklage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr hingegen stattgegeben.

Die Entscheidung:

Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht den Annahmeverzug des Arbeitgebers verneint. Der Rechtsstreit ist allerdings dennoch nochmals zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen worden.

I. Angebot der Arbeitsleistung

Der Arbeitgeber kommt nach § 293 BGB in Annahmeverzug, wenn er im erfüllbaren Arbeitsverhältnis die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Der Arbeitnehmer muss die Leistung tatsächlich anbieten, § 294 BGB. Bei diesem tatsächlichen Angebot handelt es sich um einen sogenannten Realakt. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer sich am Arbeitsort oder am Arbeitsplatz einfindet, um mit der Arbeitsleistung zu beginnen. Ein wörtliches Angebot (vgl. § 295 BGB) genügt nur, wenn der Arbeitgeber erklärt hat, er werde die Leistungen nicht annehmen.

Hinweis für die Praxis:

Der Arbeitnehmer muss die Arbeitsleistung so anbieten, wie er sie auch zu bewirken hat, also am rechten Ort, zur rechten Zeit und in der rechten Art und Weise entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen bzw. deren Konkretisierung durch das Direktionsrecht nach § 106 GewO.

II. Voraussetzung aber Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers

Die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers ist eine vom Leistungsangebot unabhängige Voraussetzung, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums vorliegen muss. Die Klägerin war hier nach ihrem eigenen Vorbringen außer Stande, eine Arbeit als Altenpflegerin in der stationären Pflege zu erbringen. Sie war auch nicht mehr in der Lage, die in der ambulanten Pflege anfallenden Arbeiten zu verrichten.

Hinweis für die Praxis:

Der Annahmeverzug schied damit aus. Allerdings ist noch zu klären, ob der Arbeitgeber es schuldhaft unterlassen hat, der Arbeitnehmerin einen anderen, ihren gesundheitlichen Einschränkungen leidensgerechten Arbeitsplatz zuzuweisen. Der Arbeitgeber muss dabei auf die Behinderungen eines Arbeitnehmers Rücksicht nehmen. Er muss aber nicht einen leidensgerechten Arbeitsplatz erst neu schaffen. Inwieweit für die Zeit vom 31. Januar bis zum 31. Mai 2014 ein solch zumutbarer Arbeitsplatz hätte zugewiesen werden können, muss nun das Landesarbeitsgericht nach der Zurückverweisung aufklären.

Fazit:

Arbeitgeber geraten in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung anbietet. Dies gilt aber nur, wenn der Arbeitnehmer auch tatsächlich für die vereinbarte Arbeitsleistung leistungsfähig ist. Ist dies nicht der Fall, gerät der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug. Von dem Annahmeverzug ist die Frage, ob ein leidensgerechter Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, zu unterscheiden. Arbeitgeber sind gut beraten, vor der Ablehnung der Arbeitsleistung auch eine solche mögliche Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes zu prüfen, um Schadensersatzansprüche auszuschließen.

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