23.10.2019 -

Der BGH spricht mit seiner Entscheidung vom 28.05.2019 (VI ZR 27/17) der Patientenaufklärung eine noch höhere Bedeutung zu: Klärt der Arzt gar nicht auf, haftet er für jede durch die Behandlung verursachte Gesundheitsbeeinträchtigung und Komplikation – selbst wenn über diese gar nicht hätte aufgeklärt werden müssen.


Der BGH hat entschieden, dass der Arzt bei fehlerhafter Aufklärung trotz fehlerfreier Therapie für den Eintritt letztlich nicht beherrschbarer Komplikationen haftet. (Copyright: Photographee.eu/stock.adobe.com)

Sachverhalt

Im konkreten Fall wurde ein Nervenwurzelsyndrom mittels Spritzentherapie behandelt. Nach den ersten zwei komplikationslos verlaufenden Injektionen traten bei der Patientin nach der dritten Injektion Myoklonien (unwillkürliche Kontraktionen von Muskeln) auf. Es konnte festgestellt werden, dass diese auf die Verabreichung des Medikaments zurückzuführen sind.

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen fand kein Aufklärungsgespräch vor den Behandlungen statt. Gleichzeitig handele es sich aber um eine derart unwahrscheinliche und untypische Komplikation, dass keine Pflicht zur Aufklärung über dieses Risiko bestand. Die Vorinstanzen wiesen die Klage daraufhin ab. Der BGH hob das Urteil des Berufungsgerichts auf und stellte die Haftung dem Grunde nach fest.

Die Entscheidung

Zur Begründung führt der BGH aus, dass sich die Aufklärung aus zwei Teilen zusammensetze: der Grundaufklärung und der speziellen Risikoaufklärung. Während die Grundaufklärung dem Patienten eine allgemeine Vorstellung vom Schweregrad des Eingriffs sowie der vermutlich damit zusammenhängenden Belastungen für seine Lebensführung vermitteln soll, sind ihm im Rahmen der speziellen Risikoaufklärung die konkreten Risiken zu verdeutlichen.

Eine detaillierte Ausdifferenzierung kann und muss an dieser Stelle sicherlich nicht verlangt werden, da in einem Aufklärungsgespräch die Übergänge fließend sind. Solange überhaupt ein Gespräch über die Art der Behandlung und der Möglichkeit von Komplikationen stattfindet, wird man die Grundaufklärung nachweisen können. Es lässt sich aber folgendes festhalten:

  • Fand gar keine Grundaufklärung statt, haftet der Arzt für sämtliche kausalen Gesundheitsbeeinträchtigungen des Patienten, selbst wenn diese untypisch sind und über die spezifische Komplikation nicht hätte aufgeklärt werden müssen.
  • Soweit die Aufklärung fehlerhaft und unvollständig war, weil über bestimmte aufklärungspflichtige Risiken nicht aufgeklärt wurde, so haftet der Arzt nur dann, wenn sich genau dieses aufklärungspflichtige Risiko verwirklicht hat.
  • Wenn also die Aufklärung lediglich fehlerhaft und unvollständig war, so entfällt die Haftung des Arztes für die Verwirklichung eines untypischen und nicht aufklärungspflichtigen Risikos.

Fazit

Die Aufklärung bleibt ein nicht zu unterschätzendes Haftungsrisiko. Der Arzt haftet bei fehlerhafter Aufklärung trotz fehlerfreier Therapie für den Eintritt letztlich nicht beherrschbarer Komplikationen. Schutz ist daher wichtig und in Form einer etablierten Aufklärungsroutine und verlässlicher Dokumentation mit überschaubarem Aufwand möglich.

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