23.10.2019 -

Das Sozialgericht Berlin (SG Berlin) hat sich mit der Frage befasst, wie lange der Antrag auf Durchführung des Verfahrens zur Nachbesetzung einer vertragsärztlichen bzw. vertragspsychotherapeutischen Zulassung zurückgenommen werden kann – und entschieden, dass die Antragsrücknahme bis zur Bekanntgabe der Auswahlentscheidung möglich ist. Die aktuelle Entscheidung (Urteil vom 10.07.2019, Az. S 83 KA 264/17) ist insoweit auffällig, als sie von Grundsätzen abweicht, die das Gericht bislang selbst vertreten hatte.


Ein Antrag auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahren kann bis zur Bekanntgabe der Auswahlentscheidung zurückgenommen werden, hat das SG Berlin entschieden – und weicht damit von seinen bisherigen Grundsätzen ab.
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Worum geht es?

Eine Psychologische Psychotherapeutin hatte die Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens für einen halben Vertragspsychotherapeutensitz beantragt. In der Sitzung des Zulassungsausschusses traf dieser eine, der Therapeutin nicht genehme, Auswahlentscheidung zugunsten einer bestimmten Bewerberin. Die Auswahlentscheidung wurde den Beteiligten im Nachgang vorab telefonisch durch die Geschäftsstelle des Zulassungsausschusses bekannt gegeben.

Einige Wochen später, aber noch vor Zustellung eines entsprechenden Bescheids des Zulassungsausschusses, nahm die Therapeutin gegenüber dem Zulassungsausschuss schriftlich ihren Antrag auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens zurück.
Mit einem weiteren Schreiben beantragte sie festzustellen, dass das Nachbesetzungsverfahren beendet ist und sie in unverändertem Umfang an der vertragspsychotherapeutischen Versorgung teilnimmt. Zudem bat sie um eine Bestätigung dahingehend, „dass der Bescheid des Zulassungsausschusses aus dessen Sitzung vom 08.03.2017 in dem hiesigen Verfahren den Verfahrensbeteiligten nicht zugestellt wird“.

Die vom Zulassungsausschuss ausgewählte Bewerberin wurde trotzdem durch Beschluss zugelassen. Der Zulassungsausschuss sah das Verfahren nicht durch die Antragsrücknahme beendet. Der Zulassungsausschuss nahm unter Bezug auf eine andere Entscheidung des Sozialgerichts Berlin und des Sozialgerichts Marburg an, dass die Rücknahme des Antrages nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung zur Auswahl des Praxisnachfolgers möglich sei.
Auf den Widerspruch der Psychotherapeutin hob der Berufungsausschuss den Beschluss des Zulassungsausschusses auf.

Die Entscheidung des Gerichts:

Die dagegen von der ausgewählten Bewerberin erhobene Klage wies das SG Berlin ab. Das Nachbesetzungsverfahren sei mit Festsetzung der Entschädigung nach der Ablehnung der Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens oder erst mit der Bekanntgabe der Auswahl des Nachfolgers im Nachbesetzungsverfahren beendet. Also sei eine Antragsrücknahme bis zur Zustellung des ZA-Bescheides zulässig. Bewerbern biete sich keine Chance, eine Rücknahme zu verhindern. Einer rechtsmissbräuchlichen Antragsrücknahme werde im Rahmen der erneuten Antragstellung durch die Frage Rechnung getragen, ob der Abgeber ein berechtigtes Interesse für die Rücknahme und die erneute Antragstellung darlegen kann.

Was das Abweichen von der bisherigen Rechtsprechung des SG Berlin zu dieser Frage (Beschluss vom 14.10.2008., Az. S 83 KA 543/08 ER) angeht, führt das Gericht explizit aus:

„Anders als dies vom SG Berlin in der Entscheidung aus dem Jahr 2008 (vgl. auch SG Marburg, Beschluss vom 04. August 2010 – S 12 KA 646/10 ER) entschieden wurde, ist die Kammer in jetziger Besetzung der Auffassung, dass hinsichtlich der Auswahlentscheidung auf den Zeitpunkt der wirksamen Bekanntgabe abzustellen ist.“

Das SG Berlin hat die Sprungrevision zum Bundessozialgericht zugelassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung habe. Die Rechtsfrage, bis zu welchem Zeitpunkt ein Antrag auf Nachbesetzung zurückgenommen werden kann, habe grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung.

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