11.03.2021 -

Arbeitgeber können ihre Arbeitnehmer grundsätzlich nicht dazu verpflichten, eine Corona-Schutzimpfung durchzuführen. Ausnahmen könnten in Zukunft nur im Bereich der Pflege und medizinischen Behandlung von Menschen aus der Hochrisikogruppe gelten.
Das Thema Corona-Impfpflicht wird seit einiger Zeit kontrovers diskutiert. Die allmählich steigende Verfügbarkeit von Corona-Impfstoffen sowie erste Berichte darüber, dass Impfungen auch Ansteckungen verhindern können (vgl. Till, Daten aus Israel: Covid-19 Geimpfte wohl deutlich weniger ansteckend, https://www.swr.de/wissen/covid-19-geimpfte-wohl-kaum-noch-ansteckend-100.html zuletzt abgerufen am 08.03.2021) geben Anlass zur Frage, ob Arbeitgeber von Arbeitnehmern die Durchführung von Impfungen zwecks Arbeitnehmer- und Betriebsschutz verlangen können. Unter der Prämisse, dass Impfungen ausreichend verfügbar sind und effektiv vor Ansteckungen schützen, dürften sie das wirkungsvollste Mittel sein, um eine Infizierung der Arbeitnehmer zu verhindern.


Im Regelfall wird sowohl die Anordnung von Impfungen als auch das Verlangen eines Impfnachweises unzulässig sein (Copyright: Konstantin Yuganov/adobe.stock).

Keine gesetzliche Pflicht zur Impfung

Eine gesetzliche – zumindest mittelbare (Thüsing/Bleckmann/Rombey, COVuR 2021, 66) – Impfpflicht für Arbeitnehmer besteht aktuell nur durch das seit März 2020 geltende Masernschutzgesetz in § 20 Abs. 9 S. 6, 7 IfSG. Danach müssen Arbeitnehmer in Gemeinschafts- und Gesundheitseinrichtungen nachweisen, dass sie gegen Masern geimpft sind. Bei einem fehlenden Nachweis darf der betroffene Arbeitnehmer nicht tätig werden (daher handele es sich auch nur um eine „mittelbare“ Impfpflicht, so Thüsing/Bleckmann/Robmey, COVuR 2021, 66). Eine vergleichbare allgemeine Corona-Impfpflicht besteht derzeit nicht. Unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 6, 7 IfSG könnten das Bundesgesundheitsministerium oder zunächst die Landesregierungen zwar eine Impfpflicht per Verordnung einführen. Dies ist von Seiten der Bundesregierung jedoch nicht geplant. Die Corona-Impfungen sind freiwillig (vgl. Bundesregierung.de: Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Corona-Impfung, https://www.bundesregierung.de/breg de/themen/coronavirus/coronavirus-impfung-faq-1788988).

Arbeitsrechtliche Verpflichtung zur Impfung?

Arbeitsrechtliche Grundlage für eine verpflichtende Impfung als Voraussetzung für die Tätigkeit des Arbeitnehmers können grundsätzlich Regelungen in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder in einem Arbeitsvertrag sein. Auch ist eine Weisung im Rahmen des Direktionsrechts des Arbeitgebers denkbar. In all diesen Konstellationen sind jedoch die betroffenen Grundrechte der Arbeitnehmer zu berücksichtigen und gegen die grundrechtlich geschützten Interessen des Arbeitgebers abzuwägen. Eine Impfpflicht bedeutet einen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Arbeitnehmers nach Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG und das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG (vgl. Naber/Schulte, NZA 2021, 81). Diese Grundrechtspositionen überwiegen jedoch nicht generell. Eine Impfpflicht für Arbeitnehmers könnte ausnahmsweise dann zulässig sein, wenn die geschützten betrieblichen Interessen des Arbeitgebers nach Art. 12, 14 GG und die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber der Belegschaft sowie Dritten überwiegen (vgl. Naber/Schulte, Newsdienst Compliance 2021, 230004). Ein überwiegendes Interesse an der Impfpflicht wird angesichts der Schwere des mit einer Impfung verbundenen Eingriffs aber nur in Ausnahmefällen gegeben sein. Die bisher noch unbekannten Langzeitfolgen, etwaige allergische oder anderweitigen kurzzeitigen Reaktionen des Körpers auf eine Impfung sowie der ungewisse weitere Verlauf und die Dauer der Pandemie dürften eine Interessenabwägung regelmäßig zu Gunsten der Arbeitnehmer ausgehen lassen. Insbesondere muss hierbei berücksichtigt werden, inwieweit ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit etwa durch Abstands- und Hygienemaßnahmen sowie regelmäßige Testungen der Beschäftigten bereits einen ausreichenden Schutz vor Infektionen gewährleisten. Damit ist die Einführung einer Impfpflicht zum jetzigen Zeitpunkt weitestgehend ausgeschlossen.

Etwas Anderes könnte nur in den Bereichen des Pflege- und Gesundheitssektors gelten, in denen Arbeitnehmern die Pflege oder medizinische Betreuung von Hochrisikopatienten obliegt und eine Tätigkeitsausübung im geimpften Zustand zwingend erforderlich ist. Bei diesen Arbeitnehmern, die auch gem. § 2 Abs. 1 Nr. 2 ff. Corona-Impfverordnung mit höchster Priorität zu impfen sind, erstreckt sich die Arbeitsleistung gerade auch auf den Schutz der gefährdeten Personen (vgl. Naber/Schulte, Newsdienst Compliance 2021, 230004). Berücksichtigt werden muss in diesen Konstellationen, dass ein möglichst effektiver Schutz vor einer Virusverbreitung nicht nur dem gefährdeten Patienten, sondern auch dem Schutz der Belegschaft und dem Gemeininteresse an einem funktionsfähigen Gesundheitssystem dient (vgl. Thüsing/Bleckmann/Rombey, COVuR 2021, 66). Zudem ist zu beachten, dass bestimmte Einrichtungen wie Krankenhäuser gem. § 23 Abs. 3 IfSG die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft erforderlichen Maßnahmen treffen müssen, um Infektionen zu verhüten und die Weiterverbreitung von Krankheitserregern zu verhindern. Sollte erwiesen sein, dass Corona-Impfungen wirksamer vor Ansteckungen schützen als die bisherigen Abstands- und Hygienemaßnahmen, könnte eine Impfanordnung in diesen Einrichtungen daher geboten sein (vgl. Naber/Schulte, Newsdienst Compliance 2021, 230004).

Angesichts der derzeit noch bestehenden Unsicherheiten, auch hinsichtlich der Frage, ob eine Impfung mit den verfügbaren Vakzinen überhaupt zu einer „sterilen Immunität“ führt, d.h. also sowohl den Geimpften selbst wie auch Dritte vor einer Ansteckung bewahrt, ist Zurückhaltung geboten. Erst wenn zweifelsfrei wissenschaftlich belegt ist, dass eine Corona-Impfung einen zuverlässigen Eigen- und Drittschutz herbeiführt, könnte eine Impfpflicht im Gesundheitswesen unter strenger Abwägung aller widerstreitenden Interessen in Erwägung gezogen werden. Bis dahin befindet man sich – sowohl was die Anordnung einer Impfpflicht als auch arbeitsrechtliche Sanktionsmöglichkeiten anbelangt – juristisch auf dünnem Eis.

Sollte eine Impfpflicht (in Zukunft) ausnahmsweise zulässig sein, stellen sich Folgefragen, z.B. inwieweit Arbeitnehmer bei Weigerung freigestellt werden können oder sogar der Vergütungsanspruch entfallen kann. Auch hier wird es stark vom Einzelfall abhängen, sodass sich pauschale Aussagen verbieten, ausgeschlossen sind derartige Konsequenzen aber nicht von vornherein (vgl. auch Thüsing/Bleckmann/RombeyCOVuR 2021, 66).

Kann der Arbeitgeber einen Impfnachweis verlangen?

Die Nachweispflicht beurteilt sich insbesondere nach datenschutzrechtlichen Vorgaben. Bei der Information über den Impfstatus handelt es sich um ein Gesundheitsdatum, das nach Art. 9 Abs. 1 DS-GVO besonders geschützt wird. Gemäß Art. 9 Abs. 2 DS-GVO bzw. Art. 88 DS-GVO i.V.m. § 26 Abs. 3 S. 1 BDSG kann eine solche Informationen nur verarbeitet werden, wenn dies zur Ausübung von Rechten oder zur Erfüllung rechtlicher Pflichten aus dem Arbeitsrecht erforderlich ist. Im Bereich der o.g. Einrichtungen nach § 23 Abs. 3 IfSG gilt für die Verarbeitung der Impfstatusinformation vorrangig § 23a IfSG, der die Verarbeitung zulässt, wenn sie zur Erfüllung von Verpflichtungen aus § 23 Abs. 3 IfSG erforderlich ist. Im Rahmen der Erforderlichkeit ist zwischen dem Informationsinteresse des Arbeitgebers und dem Datenschutzinteresse des Arbeitnehmers abzuwägen. Grundsätzlich wird hier gleichlaufend mit den o.g. Erwägungen das Datenschutzinteresse des Arbeitnehmers überwiegen, so dass der Arbeitgeber im Regelfall keinen Impfnachweis verlangen kann. Ein anderes Ergebnis dürfte hier wieder für die Bereiche gelten, in denen Menschen aus der Hochrisikogruppe gepflegt oder medizinisch behandelt werden (vgl. Naber/Schulte, NZA 2021, 81). Erforderlich dürfte der Nachweis aber auch hier nur für den Fall sein, dass eine Minimierung des Ansteckungsrisikos durch die Impfungen wissenschaftlich erwiesen ist.

Fazit

Im Regelfall wird sowohl die Anordnung von Impfungen als auch das Verlangen eines Impfnachweises unzulässig sein. Arbeitgeber sollten sich daher zunächst auf die vorhandenen Schutzmaßnahmen wie Abstands- und Hygieneregeln oder Kontaktreduzierungen beschränken. Für Arbeitgeber im Pflege- und Gesundheitswesen könnte die Beurteilung abweichend ausfallen, soweit wissenschaftlich erwiesen ist, dass eine Impfung sowohl Ansteckungen mit dem Virus als auch eine Weitergabe des Virus zuverlässig verhindern kann. Stets bedarf es aber angesichts des starken Eingriffs in die grundrechtlich geschützten Positionen der Arbeitnehmer einer besonders sorgfältigen Abwägung der betroffenen Rechtsgüter.

Losgelöst hiervon ist denkbar, dass Arbeitgeber den Arbeitnehmern positive Anreize für eine Impfung dadurch setzen, dass etwa Prämien oder Freistellungszeiten für die Durchführung der Impfung eingeführt werden. Allerdings haben Arbeitgeber den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz sowie das Maßregelungsverbot des § 612a BGB zu beachten, das Nachteile verbietet, die an die zulässige Ausübung von Rechten geknüpft wird.

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