13.07.2021 -

Bei den derzeitig wieder steigenden Inzidenzen aber gleichzeitigen Öffnungsschritten stehen Arbeitgeber vor der Herausforderung, ein möglichst gesundheitlich aber auch ökonomisch sinnvolles Hygienekonzept aufzustellen. Denn den Arbeitgeber trifft die Pflicht, seine Arbeitnehmer vor Gesundheitsschäden und darunter auch Infektionen mit dem Coronavirus zu bewahren. Von der Bundesregierung sowie dem RKI wird kommuniziert, dass das beste Mittel zur Bekämpfung der Pandemie eine Kombination aus möglichst hohen Impfquoten sowie der Einhaltung der bisher bekannten und gelebten Hygienekonzepte sei. Nachdem im Juni bereits die Impfpriorisierung aufgehoben wurde, ist seit Beginn dieser Woche in einigen Regionen aufgrund der ausreichenden Impfdosen eine Impfung ohne Vereinbarung eines Termins möglich. Für Arbeitgeber erscheint es daher sinnvoll, bei der vielfach gewünschten Rückkehr zum betrieblichen Alltag auf ein Hygienekonzept zu setzen, welches beide genannten Faktoren berücksichtigt. Umsetzen ließe sich dies etwa im Rahmen einer Rückkehr aus dem Homeoffice und einer Doppelbesetzung von Büros. Für die Planung und einer damit verbundenen Erfüllung der arbeitgeberseitigen Fürsorge- und Schutzpflicht ist die Kenntnis vom Impfstatus der Arbeitnehmer essenziell. Insofern stellt sich die Frage, ob Arbeitnehmer nach ihrem Impfstatus gefragt werden können oder gar ein Impfzwang durchsetzbar wäre. Gewerkschaftsverbände und Arbeitsrechtler sind sich uneins.

I. Kein Impfzwang!

Einigkeit herrscht jedenfalls dahingehend, dass der Arbeitgeber die Beschäftigten mangels gesetzlich bestehender Impfpflicht – wie sie zuletzt vom französischen Präsidenten Macron für Personal im Gesundheitsbereich angekündigt wurde – nicht zu einer Impfung zwingen kann. Dies gilt sowohl für eine unmittelbare Weisung, eine Corona-Schutzimpfung in Anspruch zu nehmen als auch für einen indirekten Impfzwang etwa durch ein Betretungsverbot des Betriebs(geländes) für Ungeimpfte.

II. Fragerecht?

Die Bewertung, ob der Arbeitgeber ein Fragerecht nach dem Impfstatus der Beschäftigten hat, fällt hingegen sehr unterschiedlich aus. Problematisch ist vor allem, dass die Frage nach dem Impfstatus die Verarbeitung eines besonders vulnerablen Gesundheitsdatums darstellt, welche die DSGVO grundsätzlich untersagt. Für die Datenverarbeitung im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses statuieren die DSGVO bzw. das BDSG dennoch zwei Ausnahmen. Demnach kann die Datenverarbeitung zulässig sein, wenn die betroffene Person ausdrücklich in die Verarbeitung eingewilligt hat oder eine solche zur Ausübung von Rechten oder zur Erfüllung rechtlicher Pflichten aus dem Arbeitsrecht, dem Recht der sozialen Sicherheit und des Sozialschutzes erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person an dem Ausschluss der Verarbeitung überwiegt.

1. Ohne Impfpflicht kein Fragerecht?
Sollte keine ausdrückliche Einwilligung bestehen, kann die Datenverarbeitung zulässig sein, wenn sie erforderlich ist. Von Autoren der Rechtswissenschaft sowie Datenschutzbeauftragten und Gewerkschaftsverbänden wird nun angenommen, dass ein Fragerecht des Arbeitgebers nur dann bestehen könne, wenn auch eine korrespondierende Impfpflicht bestünde. Solange eine solche nicht vorgesehen sei, überwiege auch regelmäßig das Interesse des Arbeitnehmers am Schutz seiner personenbezogenen Daten.

2. Besonderheiten der Pandemie beachten!
Auch wenn der Datenschutz zu Recht ein hohes Gut darstellt und einen bisweilen überragenden Schutz genießt, sind die oben genannten Daten keineswegs unantastbar. Insbesondere vor dem Hintergrund der von der Bundesregierung und dem RKI betonten Wichtigkeit der Corona-Schutzimpfungen als Mittel zur Eindämmung der Pandemie, ist das Gesundheitsdatum „Impfstatus“ – zumindest in Bezug auf eine Corona-Impfung – und seine Gewichtung im Rahmen einer Abwägung im Lichte der Besonderheiten und der Entwicklung der Pandemie zu sehen. Der Nachweis über eine erfolgte Corona-Impfung eröffnet Geimpften je nach Inzidenzstufe weitreichende Möglichkeiten wie den Besuch von Restaurants, Kulturveranstaltungen oder Urlaubsreisen und ersetzt in vielen Bereichen den Nachweis über einen negativen Corona-Test. Angesichts der angelaufenen Urlaubssaison, den bevorstehenden Strömen von Reiserückkehrern und des Vormarsches der Delta-Variante ist davon auszugehen, dass die Infektionszahlen – wie zuletzt ohnehin schon – erneut steigen werden und damit auch der Impfstatus eine höhere Rolle spielen wird. Mithin kann nicht außer Acht gelassen werden, dass das Datum „Impfstatus“, anders als beispielsweise die Gesundheitsdaten „Vorerkrankungen“, „Befunde“, „Suchtprobleme“ oder „Krankenhausaufenthalte“ einen geringeren Stellenwert genießen und dies bei der Abwägung der Belange Berücksichtigung finden muss.

3. Datenverarbeitung ist zweckgebunden
Vor dem Hintergrund kann ein Interesse des Arbeitgebers an der Verarbeitung dieser Daten im Einzelfall überwiegen. In die Abwägung fließt vor allem die Fürsorge- und Schutzpflicht des Arbeitgebers mit ein und ein damit verbundenes Interesse, auf die jeweiligen Infektions- und Ansteckungsrisiken bestmöglich reagieren zu können. Hinzu kommt, dass die aus der Corona-Arbeitsschutz-Verordnung folgende Pflicht zur Bereitstellung von Corona-Tests für Geimpfte entfällt. Um ausreichende, aber keine überflüssigen Mengen an Tests bereit zu stellen, ist die Kenntnis des Impfstatus damit ebenfalls von Nützen. Solange der Arbeitgeber den Status für ein betriebliches Hygienekonzept oder Verhaltensregeln im Betrieb benötigt, kann die Verarbeitung dieser Daten zulässig und ein Fragerecht gegeben sein.
Wie so häufig gilt aber auch hier, dass zunächst zu fragen ist, ob die Frage nach dem Impfstatus für die Ausarbeitung eines Hygienekonzepts tatsächlich von zentraler Bedeutung ist und dann eine strenge Einzelfallprüfung vorzunehmen ist, bei der sämtliche Belange miteinander abgewogen werden müssen. Dabei kann es je nach betrieblichen Besonderheiten durchaus zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Ohne Anlass bzw. aus reinem Interesse scheidet eine Frage nach dem Impfstatus jedenfalls von vornherein aus. Auch ist zu beachten, dass die erhobenen Daten nur für die Aufstellung des Hygienekonzeptes verwendet werden dürfen. Darüber hinausgehende Verarbeitungen zu anderen Zwecken sind strikt unzulässig!

III. Sanktionsmöglichkeiten

Da es keine Impfflicht gibt, kann der Arbeitnehmer für die bloße Nichtinanspruchnahme einer Corona-Impfung auch nicht sanktioniert werden. Entscheidet sich ein Arbeitnehmer also – unabhängig vom Beweggrund – bewusst gegen eine Impfung, so können hierfür beispielsweise keine Abmahnungen ausgesprochen werden.
Dennoch besteht korrespondierend mit dem Fragerecht auch eine Auskunfts- und Wahrheitspflicht des Arbeitnehmers. Insbesondere bei wahrheitswidriger Auskunft ließe sich über die üblichen arbeitsrechtlichen Sanktionen, also Ermahnung, Abmahnung, verhaltensbedingte sowie fristlose Kündigung nachdenken. Gleichwohl wird an dieser Stelle zu Zurückhaltung geraten. In jedem Fall sollte zur Konfliktprävention vor etwaigen Sanktionen Rücksprache mit einem Arbeitsrechtler genommen werden.

IV. Differenzierung zwischen geimpften und ungeimpften Arbeitnehmern?

Hat der Arbeitgeber in zulässiger Art und Weise vom Impfstatus der Arbeitnehmer erfahren, ist eine Differenzierung zwischen Geimpften und Ungeimpften bei der Ausgestaltung von Hygienekonzepten und Verhaltensregeln zulässig und muss nicht zwingend eine Ungleichbehandlung darstellen.

V. Fazit

Entgegen der zurückhaltenden Ansicht mancher Datenschutzbeauftragter oder auch Gewerkschaftsverbänden kann nach unserer Auffassung ein Fragerecht im Einzelfall bestehen. Zu beachten ist in jedem Fall, dass die damit einhergehende Datenverarbeitung zweckgebunden ist und nur zur Aufstellung eines Hygienekonzeptes oder präventiven Verhaltensregeln erfolgen darf. Auch muss vorab geklärt werden, ob die Kenntnis vom Impfstatus unverzichtbar ist oder alternative Gestaltungsmöglichkeiten bestehen. In Ermangelung (höchstrichterlicher) Rechtsprechung zu diesem Thema wird vor vorschnellen Sanktionen gewarnt.

Lorbeerkranz

Auszeichnungen

  • TOP-Wirtschafts­kanzlei für Arbeits­recht
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  • TOP-Kanzlei für Arbeitsrecht
    (WirtschaftsWoche 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Anwältin für Arbeitsrecht: Ebba Herfs-Röttgen
    (WirtschaftsWoche, 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Anwalt für Arbeitsrecht: Prof. Dr. Nicolai Besgen
    (WirtschaftsWoche 2023, 2020)

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