Ein brisantes Thema: Fremdpersonal im Krankenhaus (credit:adobestock)

Fremdpersonaleinsatz im Krankenhaus bleibt ein hochbrisantes Thema. Einen interessanten Aspekt beleuchtet ein aktuelles Urteil des LSG Berlin-Brandenburg. Sozialversicherungspflichtig ist zwar regelmäßig die Beschäftigung von Honorarärzten oder Honorarpflegekräften im Krankenhaus – aber gilt dies auch, wenn eine Gesellschaft als Vertragspartner „zwischengeschaltet“ wird?

Der Fall

Eine Pflegefachkraft errichtete im April 2015 notariell eine Unternehmergesellschaft (die P- UG) und bestellte sich selbst zu deren Geschäftsführerin. Zudem schloss sie in ihrer Funktion als einzige Gesellschafterin mit sich selbst einen Geschäftsführer-Anstellungsvertrag. Die deutsche Rentenversicherung stellte bestandskräftig fest, dass die Pflegefachkraft bei der UG keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausübe. Ab Mai 2016 beschäftigte die UG eine Arbeitnehmerin im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung.

In der Zeit von Mai bis August 2016 schloss ein Krankenhausträger mit der P-UG im wesentlichen gleichlautende Dienstleistungsverträge. Demnach habe die P-UG für bestimmte Einsatzzeiträume und Einsatzorte die häusliche oder stationäre Krankenpflege oder Altenpflege der zu pflegenden Patienten eigenständig zu planen und durchzuführen. Die P-UG als Auftragnehmerin verpflichtete sich, dass die von ihr eingesetzten Personen fachlich geeignet und qualifiziert seien. Nach dem Vertragstext unterliege die Auftragnehmerin keinen Weisungen und habe das Recht, einzelne Aufträge ohne Angabe von Gründen abzulehnen. Der Krankenhausträger habe weiterhin die erforderlichen Hilfsmittel zu stellen. Die Auftragnehmerin könne das Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund kündigen, wenn sie wegen Erkrankung oder sonstige persönliche Verhinderung ihres Personals nicht in der Lage wäre, die Dienstleistungen unmittelbar zu erbringen und auch keinen geeigneten Subunternehmer beauftragen könne. Die Pflegeleistungen wurden durch die Geschäftsführerin der P-UG persönlich, aber auch durch die geringfügig Beschäftigte erbracht.

Im September 2016 stellt die Deutsche Rentenversicherung durch Bescheid fest, dass die Geschäftsführerin der UG als Pflegefachkraft bei den Krankenhausträger sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei. Die Geschäftsführerin der UG sei nach Einschätzung der Deutschen Rentenversicherung nicht anders zu behandeln als das Stammpersonal des Krankenhausträgers. Die im Vertrag genannte Weisungsfreiheit sei bloße Vertragsrhetorik. Hiergegen wandte sich die Geschäftsführerin der P-UG mit Widerspruch und anschließendem Klageverfahren vor dem Sozialgericht.

Die Entscheidung

Nach Auffassung des LSG war der Bescheid aufzuheben. Die Pflegefachkraft habe in keinem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zu dem Krankenhausträger gestanden.

Es liege keine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung vor, sodass kein Arbeitsverhältnis der Pflegefachkraft mit dem Krankenhausträger zu fingieren sei. Die Pflegefachkraft sei keine Arbeitnehmerin der P-UG gewesen, sondern habe als Alleingesellschafterin die Leitungsmacht über die Gesellschaft ausgeübt. Die P-UG habe im Rahmen eines Werkvertrags Pflegeleistungen erbracht.

Unternehmerische Gegenstand der P-UG sei die stationäre und ambulante Krankenpflege und nicht die Arbeitnehmerüberlassung. Geschuldet gewesen sei gegenüber dem Krankenhausträger auch nicht die Zurverfügungstellung eines Arbeitnehmers, sondern die Erbringung der Pflegeleistungen. Bei einer Arbeitnehmerüberlassung steuere der Verleiher den Arbeitseinsatz nicht und müsse auch keinen bestimmten Leistungserfolg herbeiführen. Die P-UG habe beliebig auswählen können, welche Arbeitnehmerinnen zum Einsatz kommen sollten.

Die Pflegefachkraft habe auch in keinem Beschäftigungsverhältnis zu dem Krankenhausträger gestanden. Die P-UG habe wirksam Verträge mit den Krankenhausträger abschließen können. Vertragspartner des Krankenhausträgers sei daher die P-UG gewesen. Auch im Sozialversicherungsrecht sei die rechtliche Eigenständigkeit juristischer Personen zu beachten – rechtlich verpflichtet worden sei die P-UG, vertreten durch die Geschäftsführerin und nicht die Geschäftsführerin als natürliche Person. Die Geschäftsführerin habe die Dienstleistungsverträge zwar unterzeichnet, dies sei aber im Rahmen ihrer gesetzlichen Vertretungsbefugnis erfolgt. Entsprechend § 35 GmbHG – der auch auf eine UG Anwendung finde – habe hier die Geschäftsführerin als Organ der P-UG von ihrer gesetzlichen Vertretungsmacht Gebrauch gemacht, so das LSG. Die eigenständige Rechtspersönlichkeit beteiligter juristischer Personen könne nicht einfach hinwegfingiert werden.

Es sei auch kein Vertrag mit der Pflegefachkraft persönlich geschlossen worden. Der Krankenhausträger habe der Pflegefachkraft kein Arbeitsentgelt geschuldet, vielmehr habe ein Anspruch der P-UG auf das vereinbarte Stundenhonorar bestanden. Umgekehrt habe sich die P-UG – und nicht deren Geschäftsführerin persönlich – zur Erbringung der Pflegeleistungen verpflichtet. Dementsprechend spiele es auch keine Rolle, dass die Pflegeleistungen tatsächlich durch die Geschäftsführerin selbst erbracht worden seien.

Es sei auch kein Rechtsbindungswille des Krankenhausträger dahingehend erkennbar, dass zusätzlich zur Vertragsbeziehung mit der P-UG ein weiteres Rechtsverhältnis mit deren Geschäftsführerin als natürlicher Person geschaffen werden solle. Die P-UG habe grundsätzlich auch andere Pflegekräfte einsetzen können – was ja auch tatsächlich erfolgt sei. Die Anzahl der betreuten Patienten habe sich nicht aus einem Dienstplan ergeben, sondern habe sich nach den jeweiligen Möglichkeiten der P-UG gerichtet. Das LSG sah auch keine Anhaltspunkte für einen Scheinvertrag. Die Parteien hätten gerade die Rechtsfolge gewollt, dass nicht die Pflegefachkraft selbst zur Arbeitsleistung verpflichtet werden sollte.

Die gewählte Vertragsgestaltung sei auch nicht rechtsmissbräuchlich, es handele sich also nicht um eine rechtlich zu missbilligende Gesetzesumgehung. Schließlich habe die P-UG mit mehreren Einrichtungen Verträge abgeschlossen und sei dementsprechend frei am Markt aufgetreten. Außerdem würdigte das LSG auch an dieser Stelle, dass die P-UG auch eine Arbeitnehmerin eingesetzt habe. Die Geschäftsführerin der P-UG sei auch nicht bereits vorher für den Krankenhausträger tätig gewesen, stattdessen sei hier tatsächlich eine komplett neue Vertragsbeziehung zwischen Krankenhausträger und P-UG entstanden. Im Ergebnis sei die rechtliche Eigenständigkeit der P-UG anzuerkennen und rechtlich zu würdigen.

Fazit

Werden Honorarkräfte – Ärzte oder Pflegekräfte – im Krankenhaus tätig, wird nach der BSG-Rechtsprechung regelmäßig eine abhängige Beschäftigung und damit eine Sozialversicherungspflicht vorliegen. Maßgeblich ist insoweit der organisatorische Rahmen, in dem sich auch externes medizinisches Personal innerhalb des Krankenhauses bewegt. Schließen Honorarkräfte den Vertrag nicht selbst, sondern werden von einem „Anbieter“ als Arbeitnehmer beschäftigt und sodann im Krankenhaus eingesetzt, droht die Gefahr einer unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung mit ihren für den Entleiher nachteiligen Rechtsfolgen.

In der hier entschiedenen Konstellation wird der Vertrag mit einer rechtlich eigenständigen Gesellschaft geschlossen, die dann ihre Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin einsetzt. Ein Alleingesellschafter ist kein Arbeitnehmer, weswegen Arbeitnehmerüberlassung ausscheidet. Vertragspartner des Krankenhausträgers ist die Gesellschaft; ein Beschäftigungsverhältnis mit dem Gesellschafter scheidet daher zumindest nach Ansicht des LSG schon im Ansatz aus – eine Eingliederung in den Krankenhausbetrieb prüft das LSG gar nicht erst.

Ist es also ein „Allheilmittel“ für die Problematik, wenn Honorarkräfte eine „Ein-Mann-Gesellschaft“ gründen – was ja zumindest bei der UG ohne großen Kostenaufwand möglich ist?

Das wird man klar verneinen müssen. Zum einen kommt es darauf an, wer nach dem tatsächlichen Rechtsbindungswillen der Parteien rechtlich verpflichtet werden soll – tatsächlich die Gesellschaft oder eine natürliche Person? Zum anderen kann sich aus den konkreten Rahmenbedingungen ergeben, dass die konkrete Gestaltung rechtsmissbräuchlich ist. Insoweit sind alle Umstände des Einzelfalls in die Betrachtung miteinzubeziehen, was dann auch durchaus zu einem anderen Ergebnis als in dem hier entschiedenen Fall führen kann. Es ist auch gut möglich, dass andere LSG oder das BSG in vergleichbaren Fällen der genauen Vertragssituation weniger Bedeutung beimessen und stets die Kriterien der Eingliederung und der Weisungsgebundenheit prüfen. Ein Urteil des LSG Hessen vom 18.11.2021 – L 1 BA 25/21 bewegt sich zwar auf der Linie des LSG Berlin-Brandenburg und nahm bei zwischengeschalteter UG keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung an, dagegen ist aber die Revision vor dem BSG anhängig. Es ist daher davon abzuraten, mit Berufung auf das Urteil des LSG Berlin-Brandenburg „Honorararztmodelle“ über eine zwischengeschaltete UG zu realisieren – Rechtssicherheit lässt sich so nicht erreichen. Zu beachten bleibt in jedem Fall auch die Rentenversicherungspflicht nach § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI.

Lorbeerkranz

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Autor

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