27.04.2022 -

Arbeitszeitkonten enthalten nicht immer nur Plusstunden. Oftmals dürften auch Minusstunden angesammelt werden. Dies ist im laufenden Arbeitsverhältnis in der Regel unproblematisch und gleicht sich über die Wochen und Monate stetig aus. Wie verhält es sich aber bei einem Ausscheiden des Mitarbeiters? Müssen dann geleistete Minusstunden zurückgezahlt werden bzw. darf der Arbeitgeber Entgelt für die Minusstunden kürzen? Mit diesen wichtigen Fragen hatte sich nun das Landesarbeitsgericht Nürnberg in einem aktuellen Urteil zu befassen (LAG Nürnberg v. 19.5.2021 – 4 Sa 423/20).

Wir möchten die praxisrelevante Entscheidung hier besprechen.


Der Ausgleich von Minusstunden ist nur möglich, wenn Arbeitnehmern die Nacharbeit noch möglich ist (Copyright: bnenin/adobe.stock).  

Der Fall

Der Arbeitgeber kündigte dem klagenden Arbeitnehmer zunächst fristlos. Im sich anschließenden Kündigungsschutzverfahren verständigte man sich dann auf eine vergleichsweise Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Soweit vorliegend von Interesse wurde Folgendes vereinbart:

„1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endet aufgrund ordentlicher, betrieblich veranlasster Arbeitgeberkündigung vom 21. Oktober 2019 mit Ablauf des 31. Dezember 2019 (…)

3. Der Kläger wird unwiderruflich unter Fortzahlung der Vergütung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt. Es besteht Einigkeit, dass Urlaubsansprüche und etwaige Zeitguthaben in Natur eingebracht sind. (…)

6. Darüber hinaus bestehen aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung keine finanziellen Ansprüche mehr. (…)“

Im Nachgang kam es zwischen den Parteien zu Streit über die korrekte Abwicklung des Vergleiches. Der Arbeitnehmer erhob Zahlungsklage wegen bestimmter Bruttobeträge. Im Gegenzug klagte der Arbeitgeber dann auf Rückzahlung überzahlter Beträge, die sich auf die Erstattung eines Minusstundenbestandes aus dem Arbeitszeitkonto von 40,33 Stunden ergeben sollten.

Das Arbeitsgericht hat die Rückforderung der Minusstunden abgelehnt.

Die Entscheidung

Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt.

I. Minusstunden

Minusstunden sind solche Stunden, die der Arbeitnehmer hätte erbringen müssen, um die vereinbarte Arbeitszeit zu leisten, dies aber nicht getan hat. Soweit ein Arbeitszeitkonto besteht und die Ansammlung von Minusstunden danach zulässig ist, führt dies noch zu keinen Konsequenzen.

Hinweis für die Praxis:

In der Praxis bestehen oftmals zu Arbeitszeitkonten einschlägige Betriebsvereinbarungen. In diesen Betriebsvereinbarungen finden sich dann regelmäßig Regelungen zur Höhe der erlaubten Plus- und/oder Minusstunden und auch etwaigen Verfallfristen bzw. weiteren Regelungen, in welchem Zeitraum Minusstunden nachgeholt werden müssen.

II. Ausgleich muss möglich sein!

Beide Instanzen haben deutlich darauf hingewiesen, dass ein Rückforderungsanspruch des Arbeitgebers zu geleisteten Minusstunden in jedem Fall voraussetzt, dass dem Arbeitnehmer die Möglichkeit eingeräumt wurde, die Minusstunden auszugleichen. Dies war allerdings im vorliegenden Fall aus verschiedenen Gründen nicht möglich. Zunächst hatte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt. Ein Ausgleich der bis dahin angesammelten Minusstunden war also gar nicht mehr nachzuholen. Im Weiteren wurde dann vor dem Arbeitsgericht ein Vergleich geschlossen. In diesem Vergleich wurde der Arbeitnehmer bis zum Beendigungszeitpunkt der maßgeblichen ordentlichen Kündigungsfrist freigestellt. Im Rahmen der Freistellung konnte er also wiederum seine Minusstunden nicht abarbeiten. Schließlich hatte man auch noch eine Ausgleichsklausel im Vergleich vereinbart. Man wollte also Streit über die Höhe des Arbeitszeitkontos gerade nicht mehr führen.

Fazit

Der Entscheidung ist zuzustimmen. Der Ausgleich von Minusstunden ist nur möglich, wenn Arbeitnehmern die Nacharbeit noch möglich ist. Zudem fehlte es hier an jeglicher Vereinbarung über einen Rückforderungsanspruch zu angesammelten Minusstunden. Dies führt zu den notwendigen Folgen aus dieser Entscheidung für die Praxis. Nur durch klare Vereinbarungen über Ausgleichszeiträume ist der Arbeitgeber hinsichtlich angesammelter Minusstunden abgesichert. Kommt es im Rahmen eines Vergleiches zu einer Gesamteinigung, müssen auch Minusstunden ausdrücklich angesprochen und geregelt werden. Geschieht dies nicht und vereinbart man eine übliche Freistellung und eine Ausgleichsklausel sind auch angesammelte Minusstunden damit nicht mehr zurückzufordern. In Vergleichsgesprächen ist daher ein Minuskonto in die Verhandlungen einzubringen.

Lorbeerkranz

Auszeichnungen

  • TOP-Wirtschafts­kanzlei für Arbeits­recht
    (FOCUS SPEZIAL 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Kanzlei für Arbeitsrecht
    (WirtschaftsWoche 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Anwältin für Arbeitsrecht: Ebba Herfs-Röttgen
    (WirtschaftsWoche, 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Anwalt für Arbeitsrecht: Prof. Dr. Nicolai Besgen
    (WirtschaftsWoche 2023, 2020)

Autor

Bild von Prof. Dr. Nicolai Besgen
Partner
Prof. Dr. Nicolai Besgen
  • Rechtsanwalt
  • Fachanwalt für Arbeitsrecht

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sprechblasen

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sind Sie unsicher, ob Sie mit Ihrer Angelegenheit bei uns richtig sind?
Nehmen Sie gerne unverbindlich Kontakt mit uns auf und schildern uns Ihr Anliegen.
Wir freuen uns auf Ihren Anruf.

Kontakt aufnehmen