27.11.2005 -

Moderne Kommunikationseinrichtungen gehören mittlerweile zum betrieblichen Standard. Dies umfasst auch die Überlassung eines betriebsratseigenen PC, regelmäßig mit Internetzugang und E-Mail-Account. Damit steigen auch Umfang und Anforderungen an die notwendigen EDV-Kenntnisse der Betriebsratsmitglieder. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (Beschl. v. 03.06.2003 – 4 TaBV 24/02 -) hatte sich bereits im Jahre 2003 in einem praxisrelevanten Beschluss mit der Frage zu befassen, ob deshalb die Betriebsratmitglieder auch Anspruch auf entsprechende EDV-Schulungen haben. In der Entscheidung wurde ein solcher Anspruch abgelehnt. Wegen der nach wie vor aktuellen und auch grundsätzlichen Bedeutung der Thematik möchten wir die wesentlichen Aussagen nachfolgend wiedergeben.

Der Fall:

Ein Mitglied des bei dem Arbeitgeber gebildeten Betriebsrats meldete sich zu einem PC-Lehrgang an, in dem u.a. Kenntnisse zu dem Programm Word vermittelt wurden. Dieses Betriebsratsmitglied war auch in den Gesamtbetriebsrat entsandt. In der Entscheidung streiten nun die Betriebspartner über die Erstattung der Reisekosten zu dieser Schulungsveranstaltung für das Betriebsratsmitglied in Höhe von 73,36 €.

Der Betriebsratsvorsitzende hatte bereits zu einem früheren Zeitpunkt im Programm Word eine Schulung absolviert. Auch die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende hatte im Rahmen eines Bildungsurlaubs an einem PC-Lehrgang teilgenommen. Der Arbeitgeber verteidigte deshalb seine ablehnende Haltung mit dem Hinweis, der überwiegend freigestellte Betriebsratsvorsitzende könne wegen seiner vorhandenen Word-Kenntnisse die anfallenden Schreibarbeiten selbst erledigen. Ohnehin handele es sich nur um einfache Schreibarbeiten.

Hingegen verteidigte sich der Betriebsrat damit, dass der Schriftverkehr ständig an Umfang und Anforderungen zugenommen habe. So seien neben Schriftverkehr mit der Geschäftsleitung, anderen betrieblichen Stellen, Arbeitnehmern und außerbetrieblichen Einrichtungen auch betriebsbezogene Anwendungen wie die Dokumentation der geleisteten Überstunden, die Erfassung der befristetet Beschäftigten und die Erstellung von Protokollen für den Gesamtbetriebsrat erforderlich. Das Betriebsratsmitglied vertrete den Betriebsratsvorsitzenden in Teilbereichen bei dessen Abwesenheit und müsse daher auch in der Lage sein, entsprechende Arbeiten am Rechner zu erledigen. Dabei sei im Übrigen zu berücksichtigen, dass die erworbenen Kenntnisse der anderen Betriebsratsmitglieder größtenteils vergessen seien und die technische Entwicklung im Computerbereich zwischenzeitlich erheblich vorangeschritten sei.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben einen Anspruch verneint und die Zahlungsklage abgewiesen.

Die Entscheidung:

In der Entscheidung ging es ausschließlich um die Erstattung der Reisekosten. Allerdings haben die Ausführungen des LAG Schleswig-Holstein grundsätzliche Bedeutung, denn sie gelten entsprechend auch für die Lehrgangskosten und für die Vergütungsfortzahlung während der Schulungsteilnahme.

I. Prüfung der Erforderlichkeit

Ein Ersatz auf Reisekosten besteht gem. § 37 Abs. 6 i.V.m. § 40 BetrVG dann, wenn die Schulung für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich war. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Vermittlung von Kenntnissen dann erforderlich, wenn diese unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse im Betrieb notwendig sind, damit der Betriebsrat seine gegenwärtigen oder in naher Zukunft anstehenden Aufgaben sach- und fachgerecht erfüllen kann.

Der Zweck der Regelung in § 37 Abs. 6 BetrVG ist die Herstellung einer intellektuellen Waffengleichheit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber. Da allerdings der Arbeitgeber die Kosten der Bildungsveranstaltung zu tragen hat, ist der Betriebsrat gehalten, die Erforderlichkeit der Maßnahme zu prüfen. Anders als der Arbeitgeber ist er nicht berechtigt, auch bloß „nützliches“ zu fordern.

II. Beurteilungsspielraum des Betriebsrats

Bei der Feststellung der Erforderlichkeit steht dem Betriebsrat allerdings ein Beurteilungsspielraum zu, den die Gerichte zu beachten haben. Die Entscheidung des Betriebsrats kann nur daraufhin überprüft werden, ob das verlangte Sachmittel der Wahrnehmung der gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrats dienen soll und der Betriebsrat bei seiner Entscheidung berechtigte Interessen des Arbeitgebers und der Belegschaft angemessen Rechnung getragen hat. Dies gilt auch für Fortbildungsmaßnahmen. Die Kosten einer Schulungsveranstaltung über den Einsatz eines PC für die Erledigung von Betriebsratsaufgaben sind vom Arbeitgeber nach § 37 Abs. 6 BetrVG zu tragen, wenn aktuelle oder absehbare betriebliche bzw. betriebsratsbezogene Anlässe die Schulung des entsandten Betriebsratsmitglieds erfordert haben.

III. Überlassung eines PC gebietet nicht zwangsläufig eine EDV-Schulung

Nach Auffassung des BAG folgt aus der Tatsache, dass dem Betriebsrat ein PC zur Verfügung steht, nicht zwangsläufig, dass auch eine Schulung zum EDV-System geboten ist. Zwar ist davon auszugehen, dass der Betriebsrat die ihm zur Verfügung gestellten Geräte auch bedienen können muss und, soweit dies zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlich ist, auch eine Schulung benötigt. Allerdings kann dies nicht generell verlangt werden. Verfügt der Betriebsrat nämlich bereits über die erforderlichen Kenntnisse, erübrigt sich eine Schulung. Außerdem sind PC-Oberflächen heutzutage überwiegend benutzerfreundlich gehalten. Die Funktionen können in der Regel auf verschiedenem Weg, Tastaturkombinationen oder Maus oder ähnliches, angesteuert werden. Die üblichen Microsoftprodukte sind darüber hinaus mit umfangreichen Hilfedateien ausgestattet. Angesichts der starken Verbreitung der EDV in der Bevölkerung ist deshalb alles darauf ausgerichtet, dass der Anwender den PC schlicht einschaltet und nutzt.

IV. Learning by doing

Die konkrete Darlegung der Erforderlichkeit war nach Auffassung des LAG von dem Betriebsrat nicht erbracht worden. Die Kenntnisse für die Nutzung des PC hätte sich das Betriebsmitglied durch „learning by doing“ selbst beibringen können. Zudem habe der Lehrgang nicht ausschließlich die Handhabung des Programms Word behandelt, sondern es seien auch andere Kenntnisse vermittelt worden (Excel, Internet- und E-Mailnutzung etc.). Finde aber ein Lehrgang statt, der mehrere Themen behandele, ist es, um eine Erforderlichkeit bejahen zu können, notwendig, dass die für den Betriebsrat notwendigen mit mehr als 50 % überwiegen. Dies war aber vorliegend nach dem Seminarplan nicht der Fall.

Fazit:

Die Entscheidung macht deutlich, dass das Merkmal der Erforderlichkeit stets genau geprüft werden muss. Der Betriebsrat kann sich keinesfalls darauf zurückziehen, die Nutzung eines PC sei in der heutigen Mediengesellschaft selbstverständlich und deshalb müssten auch die entsprechenden Schulungsteilnahmen vom Arbeitgeber ermöglicht werden. Der Betriebsrat ist – anders als der Arbeitgeber – nicht berechtigt, bloß „nützliches“ zu fordern. Vielmehr muss er im Einzelnen und detailliert begründen, weshalb der konkrete Anspruch erforderlich ist.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Nicolai Besgen

 

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