28.11.2005 -

In vielen Arbeitsverhältnissen müssen Arbeitnehmer bei ihrem Arbeitgeber Reisekostenabrechnungen einreichen. Dies betrifft bspw. Kilometerabrechnungen, Bewirtungsbelege etc. Kommt es hier zu Unregelmäßigkeiten, stellt sich für den Arbeitgeber wegen des damit verbundenen erheblichen Vertrauensverlustes regelmäßig die Frage, ob er berechtigt ist, das Arbeitsverhältnis zu kündigen, ggf. sogar fristlos. Folgende Grundsätze gelten:

I. Begriffliches

Gemeinhin versteht man unter einem Spesenbetrug überhöhte Kilometerabrechnungen, unzutreffende und/oder gefälschte Bewirtungsbelege, unkorrekte Reiseberichte etc. Allen Fällen ist gemein, dass der Arbeitgeber zu einer Kostenerstattung herangezogen wird, zu der er tatsächlich nicht verpflichtet wäre.

Der Arbeitsvertragsverstoß wird auch durch eine allgemein feststellbare, weit verbreitete Spesenunehrlichkeit nicht abgemildert. Allerdings kann sich der Arbeitsvertragsverstoß im Einzelfall relativieren, wenn Unkorrektheiten bei der Spesenabrechnung im Betrieb des Arbeitgebers üblich sind, geduldet werden oder vom Arbeitgeber selbst praktiziert werden.

II. Konsequenzen für das Arbeitsverhältnis

Bei den möglichen Konsequenzen für den Arbeitnehmer muss zwischen dem Ausspruch einer Abmahnung, einer ordentlichen und einer fristlosen Kündigung differenziert werden.

1. Abmahnung regelmäßig nicht erforderlich!

Der Spesenbetrug ist ein verhaltensbedingter Arbeitsvertragsverstoß erheblicher Art, der den Vertrauensbereich berührt. In der Rechtsprechung ist es in solchen Fällen anerkannt, dass der Arbeitgeber wegen des nachhaltigen Vertrauensverlustes nicht mehr auf das mildere Mittel einer Abmahnung verwiesen werden kann. Dies gilt umso mehr, als es sich bei einem Spesenbetrug um eine Vermögensstraftat handelt. Der Arbeitgeber muss deshalb nicht ein weiteres Mal riskieren, von dem Arbeitnehmer betrogen zu werden.

Aber: Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn besondere Umstände vorliegen. Legt bspw. ein Arbeitnehmer eine vom Arbeitgeber erlassene Reisekostenrichtlinie falsch aus mit der Folge, dass er fahrlässig seiner Spesenabrechnung eine falsche Berechnungsmethode zugrunde legt, so ist grundsätzlich der unmittelbare Ausspruch einer Kündigung unverhältnismäßig. In solchen Ausnahmefällen muss hingegen vorrangig der Arbeitnehmer durch eine Abmahnung auf sein Fehlverhalten hingewiesen werden.

2. Vertrauensverlust rechtfertigt fristlose Kündigung

Der Spesenbetrug ist in der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ein anerkannter fristloser Kündigungsgrund. Grundsätzlich kann deshalb ohne Abmahnung und ohne ordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt werden (Bundesarbeitsgericht, Urt. v. 10. 6. 1980 – 6 AZR 180/78 -). Dabei kommt es auf die Höhe des Schadens regelmäßig nicht an. Entscheidend ist der mit der Vermögensschädigung verbundene Vertrauensverlust. Ob es sich dabei um einen kleinen oder um einen großen Schaden handelt, ist demgegenüber für die Beurteilung nachrangig. Dies kann allenfalls im Rahmen der allgemeinen Interessenabwägung eine Rolle spielen. Der mit dem Spesenbetrug verbundene erhebliche Vertrauensverlust macht es deshalb in der Regel für den Arbeitgeber unmöglich, mit dem Arbeitnehmer weiter zusammenzuarbeiten. Der Arbeitgeber kann nicht auf die Einhaltung der Kündigungsfrist und den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung verwiesen werden.

Auch hier gilt aber, dass im Einzelfall ein anderes Ergebnis gerechtfertigt sein kann. Das Landesarbeitsgericht Köln (Urt. v. 2. 3. 1999 – 13 Sa 687/98 -) hat bspw. einem Arbeitgeber die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist bei einem Arbeitnehmer zugemutet, der bereits seit 14 Jahren beschäftigt war. In dem konkreten Fall war zwar der Spesenbetrug nachgewiesen, es lagen aber sonst keine weiteren Anhaltspunkte dafür vor, dass sich der Mitarbeiter auf Kosten des Arbeitgebers bereichern wollte. Ähnlich hatte bereits das Landesarbeitsgericht Frankfurt (Urt. v. 5. 7. 1988 – 5 Sa 585/88 -) bei einem 56-jährigen Arbeitnehmer entschieden, der für zwei Personen unterhaltspflichtig war und seit 17 Jahren beanstandungsfrei gearbeitet hatte.

Tipp:

Bei langjährig beschäftigten Mitarbeitern sollte vorsorglich jedenfalls hilfsweise ordentlich gekündigt werden. Kommt es zu einem Prozess, kann dann ggf. das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist vergleichsweise beendet werden.

Checkliste

1. Feststellung von Spesenbetrug
2. Fehlen einer möglichen „betrieblichen Übung“, die den Arbeitnehmer glauben lässt, sein Verhalten werde von dem Arbeitgeber gebilligt
3. Sicherung der Beweismöglichkeiten und Entscheidung für arbeitsrechtliche Maßnahmen: Abmahnung, fristlose Kündigung, hilfsweise ordentlich.

III. Praxishinweise

Der Spesenbetrug ist vom Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess durch Vorlage geeigneter Unterlagen (z.B. der manipulierten Unterlagen als Urkunden) darzulegen und zu beweisen. Es ist darauf zu achten, dass im Bereich der Spesenabrechnungen im Betrieb insgesamt korrekt verfahren wird. Andernfalls könnte sich der Arbeitnehmer dadurch entlasten, dass er wegen der Spesenpraxis im Betrieb darauf vertrauen durfte, ebenfalls unkorrekt abzurechnen. Derartige Umstände sind allerdings vom Arbeitnehmer darzulegen und zu beweisen. Gelingt ein derartiger Nachweis im Prozess, so könnte sich eine Kündigung als unwirksam erweisen.

Bei der Einzelfallabwägung kann es ggf. eine Rolle spielen, dass ein langjähriges beanstandungsfreies Arbeitsverhältnis bestanden hat, der Arbeitnehmer den Vorwurf uneingeschränkt sofort nach Aufklärung einräumt, an der vollständigen Aufklärung mitwirkt und den Schaden wieder gutgemacht hat. Ausnahmsweise kann dann ggf. eine Kündigungsberechtigung ausscheiden.

Deshalb: Klare Anweisungen für die Spesenabrechnungen, keine Duldung von Unkorrektheiten sowie konkrete Mitteilung (z.B. Aushang schwarzes Brett, Hinweis im Arbeitsvertrag) an die Arbeitnehmer, dass auf Spesenbetrug sofort mit der ggf. fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses reagiert werde.

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