15.10.2025 -
BAG-Urteil zur Betriebsratswahl 2025: Keine Beschlussfassung des Wahlvorstands nötig – was für die schriftliche Stimmabgabe jetzt gilt.
Betriebsratswahl 2025: Das BAG konkretisiert die Anforderungen an eine wirksame schriftliche Stimmabgabe und die Pflichten des Wahlvorstands (credits: adobestock).

Bei der Durchführung von Betriebsratswahlen kommt es immer wieder zu Unstimmigkeiten und Verfahrensfehlern. In der Folge stellt sich dann die Frage, ob diese Fehler zur Anfechtung oder sogar Nichtigkeit der Wahl führen. Der 7. Senat des Bundesarbeitsgerichts hatte nun verschiedene Fragen zur schriftlichen Stimmabgabe zu klären (BAG v. 22.1.2025, 7 ABR 1/24). Gerade im Hinblick auf die anstehenden regelmäßigen Betriebsratswahlen im Jahre 2026 möchten wir die wichtige Entscheidung besprechen.

Der Fall:

Bei dem beteiligten Arbeitgeber, einem Eisenbahnverkehrsunternehmen, wurde in der Zeit vom 10. bis 12.5.2022 ein elfköpfiger Betriebsrat gewählt.

Im Zusammenhang mit der Wahl des Betriebsrats beantragten 71 Wahlberechtigte die Aushändigung bzw. Übersendung von Briefwahlunterlagen. Von diesen richteten 23 ihr Verlangen jeweils ohne nähere Begründung per E-Mail an ein Mitglied des Wahlvorstands, welches die Briefwahlunterlagen daraufhin ohne vorherige Beschlussfassung des Wahlvorstands übersandte. Einem Arbeitnehmer konnten die Briefwahlunterlagen nicht zugesandt werden. Der Wahlvorstand wandte sich daraufhin an den Arbeitgeber, der ihm mitteilte, dieser Arbeitnehmer liege nicht ansprechbar in einer Klinik.

In der öffentlichen Sitzung zur Stimmauszählung am 12.5.2022 behandelte der Wahlvorstand die Briefwahlstimmen einzeln jeweils dahingehend, dass zunächst der Freiumschlag geöffnet, diesem sodann der Wahlumschlag sowie die Erklärung zur persönlichen Stimmabgabe entnommen und anhand der Wählerliste überprüft wurde, ob bereits eine Stimmabgabe erfolgt war. War dies nicht der Fall, wurde der Wahlumschlag geöffnet. Bei vier mit dem Schriftbild nach außen gefalteten Stimmzetteln wurden die Stimmen für ungültig befunden und die Stimmzettel von vornherein nicht in die Wahlurne eingelegt. Die Bekanntmachung des Wahlergebnisses erfolgte am 19.5.2022.

Vier Arbeitnehmer haben die Wahl mit der Begründung angefochten, die Behandlung der vier mit dem Schriftbild nach außen gefalteten Stimmzettel als ungültige Stimmen greife in unzulässiger Weise in das Wahlrecht der betroffenen Briefwähler ein. Sie haben daher beantragt, die durchgeführte Betriebsratswahl für unwirksam zu erklären.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihn auf die Beschwerde der Antragsteller stattgegeben.

Die Entscheidung:

Im Rechtsbeschwerdeverfahren hat das Bundesarbeitsgericht festgestellt, dass die Betriebsratswahl nicht anfechtbar war.

I. Briefwahlunterlagen und Beschlussfassung des Wahlvorstands?

Das BAG hat zunächst klargestellt, dass ein Verstoß gegen die schriftliche Stimmabgabe nach § 24 I S. 1 der Wahlordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes (WO) nicht vorliegt. Nach dieser Vorschrift hat der Wahlvorstand Wahlberechtigten, die im Zeitpunkt der Wahl wegen Abwesenheit vom Betrieb verhindert sind, ihre Stimme persönlich abzugeben, auf ihr Verlangen die in § 24 I S. 1 Nr. 1 bis Nr. 5 WO näher angeführten Unterlagen für die schriftliche Stimmabgabe (Briefwahl) auszuhändigen oder zu übersenden.

Diese Pflicht zur Übermittlung der Briefwahlunterlagen setzt weder eine ausdrückliche Begründung des einzelnen Verlangens der Wahlberechtigten noch eine Beschlussfassung des Wahlvorstandes über die Aushändigung über Übersendung voraus. Das Verlangen unterliegt keinen besonderen Formanforderungen. Es bedarf weder einer näheren Begründung noch einer Plausibilitäts-Überprüfung durch den Wahlvorstand.

Das Verlangen ist auch nicht formbedürftig. Es kann daher auch mündlich vorgebracht werden.

Hinweis für die Praxis:

Die Rechtsprechung verlangt aber eine allgemeine Prüfpflicht des Wahlvorstands zu dem Verlangen. Ergeben sich bereits anhand objektiver Anhaltspunkte aufdrängende Zweifel, dass der die Briefwahlunterlagen verlangende Wahlberechtigte die Voraussetzungen des § 24 I S. 1 WO nicht erfüllt, dürfen die Briefwahlunterlagen nicht ausgehändigt werden. Eine solche Überprüfungspflicht wird etwa bei einem Briefwahlverlangen ausgelöst, von dem ein Wahlvorstandsmitglied positiv weiß, dass der verlangende Wahlberechtigte am Wahltag im Betrieb anwesend sein wird.

II. Vorgehen bei ungültiger Stimmabgabe?

Die vier anfechtenden Arbeitnehmer haben die Anfechtung weiter darauf gestützt, ihre ungültigen Briefwahlstimmen hätten zunächst, trotz der Ungültigkeit, in die Wahlurne eingelegt werden müssen. Da der Wahlvorstand die ungültigen Stimmen schon vorher aussortiert hätte, würde auch dies eine unzulässige Beeinträchtigung der Wahl darstellen.

Auch dieser Begründung hat das BAG eine Absage erteilt. Das Verfahren der schriftlichen Stimmabgabe ist in § 26 WO geregelt. Nach § 26 WO ist dem Wahlvorstand aber weder zwingend vorgegeben, noch ist es ihm verboten, die beim Öffnen der Wahlumschläge als nicht ordnungsgemäß erkannten, weil mit dem Schriftbild nach außen gefalteten, Stimmzettel in die Wahlurne einzulegen.

So kann die richtige Faltung des Stimmzettels denklogisch nicht vor Öffnung des Wahlumschlags wahrgenommen werden. Daher ist das Nichteinlegen eines falsch gefalteten Stimmzettels in die Wahlurne nicht unzulässig. Letztlich konnte der Wahlvorstand nach Feststellung der Unwirksamkeit frei entscheiden, ob er die ungültigen Stimmzettel zunächst in die Wahlurne einlegt und dann später aussortiert oder aber sofort nicht in die Wahlurne einlegt. Die Wahlordnung enthält dazu keine zwingenden Vorgaben. Jedenfalls hätte sich ein diesbezüglicher Verstoß nicht im Sinne von § 19 I BetrVG auf das Wahlergebnis ausgewirkt. In beiden Fällen würde es sich um ungültige Stimmzettel handeln.

Fazit:

Die schriftliche Stimmabgabe ist in der Wahlordnung in den §§ 24 ff. WO geregelt. Das Verlangen der Wahlberechtigten, die Unterlagen für eine schriftliche Stimmabgabe auszuhändigen, bedarf keiner Begründung. Es bedarf auch keines Beschlusses des Wahlvorstandes zur entsprechenden Aushändigung der Unterlagen. Die Verhinderung wegen Betriebsabwesenheit muss ebenfalls nicht näher geprüft werden. Den Wahlvorstand trifft aber eine Prüfpflicht, wenn sich objektive Zweifel an der Verhinderung geradezu aufdrängen. Im Verfahren der Stimmauszählung können ungültige Briefwahlunterlagen, bei denen das Schriftbild nach außen weißt (vgl. § 25 I S. 1 Nr. 1 WO) von vorherein aussortiert und müssen nicht noch in die Wahlurne eingelegt werden.

Die Entscheidung macht einmal mehr deutlich, dass nur die Kenntnis der genauen Abläufe und Vorgaben der Wahlordnung zu einer reibungslosen und unanfechtbaren Betriebsratswahl führen. Der Wahlvorstand sollte sich daher über seine Pflichten und die Voraussetzungen genau schulen lassen.


Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen

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