BFH bestätigt Aufteilung des Gesamtkaufpreises bei Denkmalimmobilien nach dem allgemeinen Ertragswertverfahren (BFH, Urteil vom 07.10.2025, IX R 26/24)

Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 07.10.2025 (IX R 26/24) eine für Käufer denkmalgeschützter Immobilien und deren Steuerberater entscheidende Frage erneut geschärft: Wie ist ein Gesamtkaufpreis sachgerecht in Boden- und Gebäudeanteil aufzuteilen, wenn das Objekt unter Denkmalschutz steht – und welches Ertragswertverfahren ist maßgeblich?
Die Antwort des BFH ist klarer als die lange umstrittene Praxis vermuten ließ. Das Gericht knüpft eng an die Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) 2021 an und stellt die Weichen für eine konsistente Bewertungspraxis, die sich an objektiven Marktwertrelationen orientiert. Zugleich hebt es hervor, dass auch denkmalgeschützte Gebäude keine „ewige“ Restnutzungsdauer besitzen. Der folgende Beitrag analysiert die Entscheidung, ordnet sie ein und zeigt, warum sie für die steuerliche Beratungspraxis bei Vermietungsobjekten und Denkmalimmobilien von hoher Bedeutung ist.
I. Sachverhalt
Die verheirateten Kläger erwarben im Jahr 2003 ein bebautes Grundstück in Z, dessen Gebäude unter Denkmalschutz stand. Der Kaufpreis betrug 800.000 €, die Anschaffungsnebenkosten 40.468,84 €, sodass sich Gesamtkosten von 840.468,84 € ergaben. Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2005 ordneten die Kläger den gesamten Kaufpreis dem Gebäude zu. Ein Bodenwertanteil wurde bewusst nicht angesetzt. Zur Begründung führten sie an, ein denkmalgeschütztes Gebäude verfüge über eine „unendliche Restnutzungsdauer“, wodurch der Bodenwert wirtschaftlich wertlos werde. Das Grundstück sei nicht eigenständig nutzbar.
Unter diesem Ansatz setzten sie bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung eine AfA-Bemessungsgrundlage von 840.468,84 € und eine tatsächliche Restnutzungsdauer von 25 Jahren an, was einer AfA von 4 % (33.619 €) entsprach.
Das Finanzamt folgte dieser Sichtweise nicht. Zunächst nahm es einen Bodenwertanteil von 59 %, später – nach Änderungsbescheid – von 57,44 % an. Daraus ergab sich eine AfA-Bemessungsgrundlage von 357.703,54 € für das Gebäude und eine AfA von 8.943 € (2,5 %). Der Einspruch blieb erfolglos.
Das FG Köln holte ein umfangreiches Sachverständigengutachten nach Maßgabe der ImmoWertV 2021 ein. Der gerichtliche Sachverständige wandte das allgemeine Ertragswertverfahren nach § 28 ImmoWertV 2021 an und kam zu folgendem Ergebnis:
- Gebäudeanteil: 41,10 %
- Bodenanteil: 58,90 %
Er begründete insbesondere, dass ein denkmalgeschütztes Gebäude keine unbegrenzte Nutzungsdauer habe und eine Restnutzungsdauer von 30 Jahren sachgerecht sei. Für den Bodenwert fand sich kein Anhaltspunkt für eine denkmalbedingte Wertminderung.
Die Kläger legten daraufhin ein eigenes Gutachten vor, das auf dem vereinfachten Ertragswertverfahren (§ 29 ImmoWertV) beruhte. Dieses kam zu dem Ergebnis, dass der Bodenwert 0 € betragen müsse, weil das Denkmalobjekt eine „ewige Nutzungsdauer“ habe und der Boden wirtschaftlich nicht verwertbar sei.
Das FG folgte dem gerichtlichen Gutachten und wies die Klage ab.
II. Entscheidung des BFH
Der BFH hob die Entscheidung teilweise auf. Die Aufteilung des Gesamtkaufpreises bestätigte er jedoch vollständig.
Wörtlich hebt der BFH hervor: „Ist für die Anschaffung einer denkmalgeschützten Immobilie ein Gesamtkaufpreis gezahlt worden, ist der Kaufpreis […] aufzuteilen.“. „Das allgemeine Ertragswertverfahren […] stellt auch bei einem unter Denkmalschutz stehenden Gebäude ein zulässiges Wertermittlungsverfahren dar.“
1. Zulässigkeit des allgemeinen Ertragswertverfahrens (§ 28 ImmoWertV)
Der BFH stellt klar, dass beide Ertragswertvarianten – allgemeines und vereinfachtes Verfahren – nach § 27 Abs. 5 ImmoWertV gleichrangig sind. Ein Vorrang besteht nicht.
Der zentrale Unterschied:
Allgemeines Ertragswertverfahren:
- Vom Reinertrag wird die Bodenwertverzinsung abgezogen; der nicht verzinste Bodenwert wird addiert.
Vereinfachtes Ertragswertverfahren:
- Reinertrag ohne Bodenwertverzinsung; der Bodenwert wird über die Restnutzungsdauer abgezinst.
Beide führen – theoretisch – zum gleichen Gesamtertragswert, jedoch zu unterschiedlichen Aufteilungen zwischen Boden und Gebäude.
Der BFH betont, dass die Wahl der Methode eine Tatsachenfrage ist, die das FG nach Sachlage zu treffen hat. Nur wenn Schätzungsgrundsätze verletzt werden, wäre dies revisibel. Die Annahmen des Sachverständigen (Liegenschaftszins 5,75 %, Restnutzungsdauer 30 Jahre, marktübliche Mieten, Bewirtschaftungskosten 8 %) hält der BFH für methodisch einwandfrei.
2. Bodenwert: Denkmaleigenschaft mindert ihn nicht automatisch
Das Gericht stellt klar: Ein Denkmalobjekt hat keine unendliche Nutzungsdauer. Auch ein Denkmalobjekt hat eine begrenzte Nutzungsdauer. Der Bodenwert eines bebauten Grundstücks wird so ermittelt, als wäre es unbebaut. Entscheidend ist:
- Der Denkmalschutz betrifft das Gebäude, nicht den Boden.
- Der Bodenwert spiegelt primär die Lage wider – diese bleibt unabhängig vom Denkmalschutz bestehen.
- Eine Bodenwertminderung („Bodenwertdämpfung“) ließ sich nicht belegen.
Damit war der Klägeransatz eines Bodenwerts von 0 € ausgeschlossen.
3. Fehler des FG nur bei der AfA – AfA-Satz beträgt 3,3 %
Der BFH korrigiert den AfA-Satz. Das FG setzte 2,5 % an. Nach § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG ist jedoch bei einer Restnutzungsdauer von 30 Jahren ein AfA-Satz von 3,3 % anzusetzen.
III. Bedeutung für die Praxis
- Das Urteil bestätigt, dass Gutachten nach § 28 ImmoWertV die maßgebliche Grundlage für Kaufpreisaufteilungen bilden können – auch bei Denkmalobjekten.
- Die oft von Mandanten vertretene These einer „ewigen Nutzungsdauer“ ist endgültig nicht haltbar. Auch Denkmäler haben endliche Nutzungsdauern – dies schützt Käufer vor unrealistischen Kalkulationen. Der Anteil des Gebäudes am Gesamtkaufpreis kann nicht willkürlich maximiert werden.
- Bodenwertanteile sind immer positiv anzusetzen, sofern nicht besondere gesetzliche Vorgaben (z. B. Bodendenkmäler) einschlägig sind.
- Mandantengutachten müssen methodisch einwandfrei sein und die Regeln der ImmoWertV strikt beachten – reine „Steueroptimierungsmodelle“ sind nicht tragfähig.
Für die Gestaltung von Immobilienkaufverträgen
Bei der Aufteilung eines Gesamtkaufpreises für ein denkmalgeschütztes Objekt kann das allgemeine Ertragswertverfahren ohne Einschränkung angewandt werden. Der Bodenwert bleibt dabei ein stets positiv anzusetzender, eigenständiger Wertbestandteil. Die Annahme einer unbegrenzten Nutzungsdauer eines Denkmalgebäudes weist der BFH zurück. Zugleich stärkt das Urteil die Bedeutung sachverständiger Gutachten.
Autor: RA & StB Andreas Jahn
Auszeichnungen
-
„Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuerrecht.“(JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2017-2024)
Autor
UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME
UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME
Sind Sie unsicher, ob Sie mit Ihrer Angelegenheit bei uns richtig sind?
Nehmen Sie gerne unverbindlich Kontakt mit uns auf und schildern uns Ihr Anliegen.
Wir freuen uns auf Ihren Anruf.