14.05.2024 -

BGH Urteil vom 04.04.2024 – III ZR 38/23

Der BGH am 04.04.2024 die Jahrzehnte alte Rechtsfrage mit erheblicher, praktischer Relevanz geklärt, ob die GOÄ auch auf eine GmbH mit angestellten Ärzten anwendbar ist.
Findet die GOÄ nur bei selbstständig tätigen Ärzten Anwendung oder auch dann, wenn eine juristische Person Vertragspartner des Patienten wird? (credits: adobestock).

Der BGH hat mit seiner Entscheidung vom 04.04.2024 eine Jahrzehnte alte Rechtsfrage mit erheblicher, praktischer Relevanz geklärt. Die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) gilt zwingend für die Abrechnung von ambulanten, ärztlichen Leistungen, unabhängig davon, ob eine (MVZ-) GmbH mit angestellten Ärzten oder ein freiberuflich tätiger Arzt oder tätige Ärztin die Leistung erbringt. Abweichende Vereinbarungen sind gemäß § 125 BGB und § 134 BGB unwirksam.

I. Der Fall

In dem vom BGH zu entscheidenden Fall klagte der Patient auf Rückzahlung des von ihm für seine ambulante Behandlung an ein Universitätsklinikum, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, gezahlten Honorars. Der Patient war gesetzlich krankenversichert. Es sollte aber ein innovatives Cyberknife-Verfahren zur Anwendung kommen, welches weder vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen umfasst, noch in der Gebührenordnung für Ärzte unmittelbar abgebildet war. Die gesetzliche Krankenkasse des Patienten verweigerte die Kostenübernahme. Daraufhin schloss das Klinikum mit dem Patienten eine Vereinbarung über die Zahlung eines Pauschalhonorars in Höhe von 10.633 €.

Der Patient bezahlte das Honorar und klagte auf Erstattung gegen seine gesetzliche Krankenkasse. Nach einem Hinweis des Sozialgerichts nahm er die Klage gegen die Krankenkasse zurück und forderte stattdessen die Rückzahlung des Honorars vom Universitätsklinikum.

II. Die Entscheidung

Sowohl die beiden Vorinstanzen als auch der BGH gaben dem Patienten recht und verurteilten das Klinikum auf Rückzahlung des Honorars. Das Klinikum konnte sich nicht auf die geschlossene Vereinbarung stützen, da diese wegen eines Verstoßes gegen die Gebührenordnung für Ärzte nichtig sei. Ohne die Vereinbarung fehlte der Rechtsgrund für die Zahlung, sodass ein Erstattungsanspruch bestehe.

Der BGH setzt sich in dieser Entscheidung dezidiert mit den beiden hinsichtlich der Anwendbarkeit der GOÄ auf juristische Person vertretenen Auffassungen auseinander. Eine Auffassung schloss eine Anwendung auf juristische Personen aus, da die Gebührenordnung für Ärzte nur selbstständig tätige und damit eigene Leistungen abrechnende Ärzte erfasse. Für die Gegenmeinung fand die GOÄ immer dann Anwendung, wenn berufliche Leistungen von Ärzten abgerechnet würden. Es käme nicht darauf an, ob der Arzt selbst oder ein Dritter Vertragspartner des Patienten werden solle.

Anwendbarkeit nach dem Wortlaut der Vorschrift

Der BGH hat sich der letztgenannten Auffassung angeschlossen. Zum einen stützt er sich auf den Wortlaut der Regelung. § 1 Abs. 1 GOÄ bestimme die Vergütung „für die beruflichen Leistungen der Ärzte“ und differenziere nicht, wer der Vertragspartner des Patienten sei. Auch die gesetzliche Ermächtigungsnorm in § 11 der Bundesärzteordnung (BÄO), auf deren Grundlage die Gebührenordnung für Ärzte erlassen wird, schränkt den Adressatenkreis der GOÄ nicht ein, sondern ermächtigt zur Regelung der „Entgelte für ärztliche Tätigkeit“.

Anwendbarkeit nach dem Sinn und Zweck

Daneben werde mit der GOÄ das Ziel verfolgt, den Leistungserbringern aufgrund angemessener Einnahmen die zuverlässige Grundlage für die Erbringung sorgfältiger hochwertiger ärztlicher Leistung zu sichern. (Ob dieses Ziel angesichts der weiterhin ausstehenden Reform und Anpassung der Gebührensätze der GOÄ aktuell erreicht wird, lässt sich sicherlich diskutieren). Andererseits soll die GOÄ die Patienten und die dahinterstehenden Kostenträger (private Krankenversicherer, Beihilfe) vor einer unkontrollierbaren und unzumutbaren finanziellen Belastung schützen. Sie solle einen Ausgleich zwischen den gegenläufigen Interessen von Patienten und Ärzten gewährleisten.

Möglichkeit der analogen Anwendung bei neuartigen Behandlungsmethoden

Das Klinikum hätte im konkreten Fall die Leistung auch nach der GOÄ tatsächlich abrechnen können. Neuartigen Behandlungen, für die es noch keine ausdrückliche Abrechnungsziffer gibt, können gemäß § 6 Abs. 2 GOÄ mit einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Gebührenziffer abgerechnet werden. Die Anwendung der Gebührenziffer erfolgt dann analog.

Der BGH bekräftigt mit diesem Verweis noch einmal das Verbot der Vereinbarung von Pauschalen nach der GOÄ.

III. Fazit

Die spätestens mit dem Aufkommen von MVZ verbundene Etablierung von GmbH im Bereich der ambulanten Leistungserbringung haben viele mit der Hoffnung verbunden, dem Korsett der GOÄ zu entkommen. Dies galt vor allem für den Bereich der ästhetischen Medizin und Schönheitschirurgie, in der durchaus auch die Patientinnen und Patienten eine Erwartungshaltung hin zu Pauschalhonoraren formulieren und in der die Ärztinnen und Ärzte sich in Ärzte-GmbH oder die Gründung von Privatkliniken nach § 30 GewO geflüchtet haben.

Da die Vereinbarung von Pauschalhonoraren nach der GOÄ ausgeschlossen ist, bleibt als Alternative für die Ärztinnen und Ärzte nur der Abschluss einer GOÄ-konformen Vergütungsvereinbarung. Zulässig war und bleibt es, eine Erhöhung des Steigerungssatzes für konkret ausgewiesene Leistungsziffern auch über den Satz von 3,5 hinaus zu vereinbaren.


Autor: Torsten von der Embse

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