08.12.2025
Die verschärfte BSG-Rechtsprechung verlangt eine sorgfältige gesellschaftsvertragliche Prüfung (Credit:adobestock)

In sozialversicherungsrechtlichen Betriebsprüfungen geraten seit einigen Jahren verstärkt die Geschäftsführer von GmbHs in den Fokus. Sogenannte Fremdgeschäftsführer, die selbst keine Anteile an der Gesellschaft halten, sind in der Regel ohnehin bei der Sozialversicherung angemeldet. Problematisch wird es häufig bei Gesellschafter-Geschäftsführern, die im Zuge einer Nachfolgeplanung oder Umstrukturierung Anteile abgeben und dadurch ihre gesellschaftsrechtliche Rechtsmacht verlieren.

In der Praxis führt das zu überraschenden Ergebnissen: Geschäftsführer, die über Jahre – oft Jahrzehnte – von einer selbstständigen Tätigkeit ausgingen, werden plötzlich als sozialversicherungspflichtig eingestuft. Die Folge sind erhebliche Nachforderungen an die Gesellschaft – mitunter verbunden mit Säumniszuschlägen und strafrechtlichen Risiken wegen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt bzw. Sozialversicherungsbeiträgen, § 266a StGB.

Rechtsprechung des Bundessozialgerichts

Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur sozialversicherungsrechtlichen Statusbeurteilung von Gesellschafter-Geschäftsführern hat sich in den letzten Jahren erheblich verschärft. Danach ist ein Gesellschafter-Geschäftsführer nur dann selbstständig tätig, wenn er

  • über die Mehrheit der Geschäftsanteile oder mindestens 50 % der Stimmrechte verfügt oder
  • als Minderheitsgesellschafter über eine umfassende („echte“) Sperrminorität verfügt, die es ihm erlaubt, ihm nicht genehme Beschlüsse der Gesellschafterversammlung zu verhindern.

Das BSG stellt dabei nahezu ausschließlich auf den Gesellschaftsvertrag ab. Tatsächliche Einflussmöglichkeiten, wie die faktische Leitung des Unternehmens oder eine Stellung als „Kopf und Seele“ der Gesellschaft, werden nicht mehr berücksichtigt.

Diese Abkehr von der früheren „Kopf-und-Seele“-Rechtsprechung dient der Vorhersehbarkeit sozialversicherungsrechtlicher Tatbestände und der Vermeidung manipulativer Gestaltungen.

Keine Sonderstellung für Familiengesellschaften

Bereits 2012 hat das BSG auch für Familien-GmbHs die Figur der sogenannten „Schönwetter-Selbstständigkeit“ aufgegeben.

Selbst wenn ein Geschäftsführer aufgrund familiärer Bindungen faktisch frei schalten und walten kann, reicht das nicht mehr aus. Maßgeblich bleibt allein die im Gesellschaftsvertrag verankerte Rechtsmacht.

Stimmbindungsabreden, Pool- oder Treuhandvereinbarungen außerhalb der Satzung entfalten keine sozialversicherungsrechtliche Wirkung. Denn sie sind jederzeit kündbar und gewährleisten daher nicht die notwendige rechtliche Stabilität.

Eine Sperrminorität muss zudem uneingeschränkt und umfassend sein, d. h. sich auf alle Beschlüsse der Gesellschafterversammlung beziehen. Eine nur auf bestimmte Angelegenheiten begrenzte („unechte“) Sperrminorität genügt nicht.

Gleichberechtigte Gesellschafter-Geschäftsführer

Bei zwei Gesellschaftern, die jeweils 50 % der Anteile und Stimmen halten, liegt regelmäßig keine abhängige Beschäftigung vor. Jeder kann unliebsame Weisungen des anderen verhindern. Dabei spielt es keine Rolle, ob einer der Gesellschafter-Geschäftsführer (noch) nicht als Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen ist (vgl. BSG von 13. November 2025, B 12 BA 1/24 R, anders noch das LSG Bayern vom 06.12.2023, L 6 BA 97/21).

Anders ist es jedoch bei drei oder mehr gleichberechtigten Gesellschaftern:

Wenn der Gesellschaftsvertrag Beschlüsse mit einfacher Mehrheit zulässt und keine Sperrminorität vorgesehen ist, kann keiner der Geschäftsführer verhindern, dass ihm nicht genehme Beschlüsse gefasst werden. In solchen Konstellationen besteht daher Sozialversicherungspflicht für alle Geschäftsführer. Abhilfe kann dann nur eine Satzungsänderung schaffen, die geeignete Sperrminoritäten schafft.

Aber Vorsicht in Fällen der steuerlichen Betriebsaufspaltung! Besteht eine Betriebsaufspaltung und soll im Zuge einer Nachfolgeregelung ein Kind – wie in der Praxis häufig gewünscht – zunächst lediglich Anteile an der Betriebsgesellschaft (Betriebs-GmbH) erhalten, so kann durch eine Satzungsänderung bei der GmbH die zwingend notwendige Beherrschungsidentität verloren gehen. Folge wäre dann die ungewollte Beendigung der Betriebsaufspaltung, was in der Regel mindestens zur steuerpflichtigen Entnahme der GmbH-Anteile – bei Grundstücksgemeinschaften und Grundstücks-GbR als Besitzunternehmen regelmäßig auch des Grundbesitzes – aus dem Betriebsvermögen führt. Dann drohen unter Umständen beträchtliche Steuernachforderungen, ohne dass den Gesellschaftern Liquidität zugeflossen ist.

Kein Vertrauensschutz bei geänderter Beurteilung

In der Praxis wird als besonders hart empfunden, dass frühere Betriebsprüfungen, die ohne Beanstandung verliefen, keinen Vertrauensschutz begründen. Vertrauensschutz kommt nur

in Betracht, wenn die Gesellschafter-Geschäftsführer explizit geprüft wurden, nicht bereits dann, wenn es keine Beanstandungen ab. Das BSG hat außerdem in mehreren Entscheidungen dargelegt, dass ein Vertrauensschutz angesichts des sich schon länger angekündigten Rechtssprechungswandels in den letzten Jahren ohnehin kaum in Betracht kommen kann.

Fazit

Die verschärfte BSG-Rechtsprechung verlangt eine sorgfältige gesellschaftsvertragliche Prüfung, insbesondere im Rahmen von Nachfolgeregelungen oder bei der Einbindung von Familienmitgliedern oder Mitarbeitenden in die Geschäftsführung.

Nur eine klar geregelte beherrschende Stellung oder umfassende Sperrminorität im Gesellschaftsvertrag kann die Sozialversicherungspflicht vermeiden.

Vor jeder Umstrukturierung oder Eintragung neuer Geschäftsführer sollte daher geprüft werden, ob die gesellschaftsrechtliche Konstruktion die erforderliche Rechtsmacht sichert – andernfalls drohen erhebliche Beitragsnachforderungen.

Vorsicht ist jedoch bei einer bestehenden Betriebsaufspaltung angezeigt. Sozialversicherungsrechtlich motivierte Satzungsänderungen müssen immer auf ihre Steuerfolgen hin untersucht werden.


Autoren: Dr. Carolin Kraus und RA & StB Andreas Jahn

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