Steuerfreiheit von Sanierungserträgen nach § 3a EStG: Wichtige Klarstellungen durch das FG Münster

Das Finanzgericht Münster (FG Münster) hat in seinem Urteil vom 10. Dezember 2024 (Az. 15 K 2520/19 F) entscheidende Klarstellungen zur Steuerfreiheit von Sanierungserträgen gemäß § 3a Einkommensteuergesetz (EStG) getroffen. Dabei legte das Gericht einen besonderen Fokus auf die Anforderungen an die Sanierungsabsicht der Gläubiger und die Fortführung des Unternehmens. Diese Entscheidung fügt sich nahtlos in die aktuelle Rechtsprechung zur Reichweite und Anwendung des § 3a EStG ein (siehe hierzu unsere Meldung: „Steuerfreiheit von Sanierungserträgen“ BFH vom 09.08.2024, X B 94/23).
Hintergrund des Urteils
Im zugrundeliegenden Fall hatte eine GmbH & Co. KG (Klägerin) im Jahr 2012 Verbindlichkeiten gegenüber der B Bank AG in Höhe von rund 925.000 € angehäuft. Im Rahmen eines Vergleichs verzichtete die Bank auf die Forderungen, nachdem eine Einmalzahlung von 20.000 € geleistet wurde. Die Klägerin argumentierte, dass der durch den Verzicht entstandene Gewinn als Sanierungsgewinn nach § 3a EStG steuerfrei sei. Das Finanzamt widersprach dieser Ansicht und begründete seine Entscheidung damit, die Voraussetzungen des § 3a EStG seien nicht erfüllt. Hauptkritikpunkte waren das behauptete Fehlen einer Sanierungsabsicht seitens der Bank und die Änderung des Unternehmenszwecks der Klägerin von Bau- zu Vermietungsdienstleistungen nach der Sanierung.
Das FG Münster gab der Klägerin Recht und setzte damit Maßstäbe für die Beurteilung von Sanierungsfällen.
Voraussetzungen für die Steuerfreiheit von Sanierungserträgen nach § 3a EStG
Sanierungsbedürftigkeit
Das FG Münster führte aus, dass ein Unternehmen als sanierungsbedürftig gilt, wenn es ohne Sanierungsmaßnahmen nicht fortgeführt werden kann. Dies erfordert eine Prüfung der Ertrags- und Finanzlage, der liquiden Mittel im Verhältnis zur Schuldenlast und der Gesamtleistungsfähigkeit. Im vorliegenden Fall wurde die Sanierungsbedürftigkeit bestätigt, da die vorgelegten Gesellschafterbürgschaften aufgrund ihrer Wertlosigkeit keine Alternativen zur Sanierung darstellten.
Sanierungsfähigkeit und Schuldenerlass
Die Sanierungsfähigkeit ist gegeben, wenn die Fortführung des Unternehmens durch den Schuldenerlass und andere Maßnahmen objektiv gesichert ist. Wesentliche Indikatoren hierfür sind:
- Positive Ertragslage nach der Sanierung,
- die Höhe des Betriebsvermögens vor und nach der Sanierung,
- Kapitalverzinsung durch Unternehmensgewinne,
- Fähigkeit, verbleibende Schulden aus voraussichtlich positiven Zahlungsüberschüssen der künftigen Geschäftstätigkeit zu bedienen.
Das Gericht betonte, dass auch das Vorliegen eines Sanierungskonzepts oder der erfolgreiche Abschluss der Sanierung starke Indizien für die Sanierungsfähigkeit sind. Im konkreten Fall sah das FG Münster diese Anforderungen als erfüllt an, da das Unternehmen in den Jahren nach der Sanierung Umsätze erwirtschaftete, die eine Fortführung rechtfertigten.
Unternehmensfortführung
Ein zentraler Streitpunkt war, ob die Änderung des Unternehmenszwecks von Bau- zu Vermietungsdienstleistungen die Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns ausschließe. Das FG Münster stellte klar, dass § 3a EStG nicht verlangt, dass die unternehmerische Tätigkeit nach der Sanierung identisch mit der ursprünglichen ist. Vielmehr sei entscheidend, dass das Unternehmen oder der Unternehmensträger wirtschaftlich fortgeführt wird. Diese Auslegung verhindert eine übermäßige Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 3a EStG.
Sanierungsabsicht der Gläubiger
Das Gericht führte aus, dass an die Sanierungsabsicht der Gläubiger keine strengen Anforderungen gestellt werden. Selbst eigennützige Motive des Gläubigers, wie der Erhalt einer Geschäftsverbindung, seien unschädlich, solange die Sanierungsabsicht zumindest mitentscheidend ist. Dass der Gläubiger mit dem Forderungserlass typischerweise eigene Motive verfolgt und der Erlass nur das Mittel zum Zweck ist, einen Teil seiner Restforderung oder eine Geschäftsverbindung zu retten, stellt die Sanierungsabsicht nicht infrage. Im vorliegenden Fall erkannte das Gericht die Sanierungsabsicht der B Bank AG an.
Fazit
Das Urteil des FG Münster stärkt die Position sanierungsbedürftiger Unternehmen und ihrer Gläubiger, indem es den Anwendungsbereich des § 3a EStG klar definiert. Besonders hervorzuheben sind die folgenden Punkte:
- Keine Identität des Unternehmenszwecks erforderlich: Auch eine Veränderung der Geschäftstätigkeit schließt die Steuerfreiheit nicht aus.
- Weite Auslegung der Sanierungsabsicht: Eigennützige Motive der Gläubiger sind zulässig, solange eine Sanierungsabsicht erkennbar ist.
- Pragmatische Beurteilung der Sanierungsfähigkeit: Wirtschaftliche Kennzahlen nach der Sanierung haben maßgebliches Gewicht.
Das Urteil bietet Unternehmen und Beratern wertvolle Leitlinien für die Gestaltung von Sanierungsmaßnahmen und verdeutlicht die Bedeutung einer präzisen Dokumentation der Sanierungsabsicht und Unternehmensfortführung.
Das FG Münster hat die Revision nicht zugelassen. Es bleibt abzuwarten, ob sich das Finanzamt mit der Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH hiergegen wehren wird.
Autor: RA & StB Andreas Jahn
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