14.03.2023
Der Bundesgerichtshof hat eine Klärung herbeigeführt zu der Frage, wann ein Ehegatte die Teilungsversteigerung der Ehewohnung verlangen kann.
Der Bundesgerichtshof entschied, wann ein Ehegatte die Teilungsversteigerung der Ehewohnung verlangen kann. (credit:adobestock)

Mit Beschluss vom 16. November 2022 (Az. XII ZB 100/22) hat der Bundesgerichtshof eine Klärung herbeigeführt zu der Frage, wann ein Ehegatte die Teilungsversteigerung der Ehewohnung verlangen kann.

Der Fall in Kürze:

Die Beteiligten sind getrenntlebende Eheleute und haben eine gemeinsame Immobilie. Sie hatten im Jahre 2000 geheiratet. Im Jahr 2017 erwarben die Eheleute ein Mehrfamilienhaus, das in zwei Wohnungseigentumseinheiten aufgeteilt ist. Eine dieser Wohnungseigentumseinheiten nutzte die Familie als Ehewohnung, die andere wurde vermietet. Darüber hinaus gehört den Eheleuten ein gemeinsames Ferienhaus in der Türkei.

Im Juni 2018 trennten sich die Eheleute. Der Ehemann zog aus der Ehewohnung aus, die danach von der Ehefrau mit den beiden gemeinsamen Töchtern (geboren 2004 und 2008) bewohnt wurde. Er leitete im September 2018 das Scheidungsverfahren in der Türkei ein. Er betrieb nach rund drei Jahren des Getrenntlebens, aber vor Scheidung der Ehe, die Teilungsversteigerung in beide Wohnungseigentumseinheiten der gemeinsamen Immobilie. Gegen diese Teilungsversteigerung wandte sich die Ehefrau, um sie für unzulässig erklären zu lassen. Ihr Antrag hatte weder vor dem Amtsgericht, noch vor dem Oberlandesgericht Erfolg. Vor dem Bundesgerichtshof hat die Ehefrau ihr Begehren weiterverfolgt.

Die Entscheidung:

Der Bundesgerichtshof hat den Antrag der Ehefrau, die Teilungsversteigerung vor Rechtskraft der Ehescheidung für unzulässig zu erklären, als unbegründet zurückgewiesen.

Was ist die sog. Teilungsversteigerung?

Die Teilungsversteigerung ist ein Verfahren, welches die „Umwandlung“ einer Immobilie in eine aufteilbare Geldsumme mit Hilfe staatlichen Zwangs ermöglicht, wenn die Eigentümer sich nicht über das Schicksal der im Miteigentum stehenden Immobilie einigen können. Sie erfolgt gemäß §§ 180 ff. ZVG „zum Zwecke der Aufhebung einer Gemeinschaft“.

Bei Ehegatten betrifft dies insbesondere die im Miteigentum stehende Immobilie. Jeder Ehegatte hat gemäß § 749 Abs. 1 BGB grundsätzlich das Recht, jederzeit die Aufhebung der (Miteigentums-)Gemeinschaft, etwa an der gemeinsamen Immobilie, zu verlangen. Da eine Immobilie nicht „in Natur“ geteilt werden kann (denn ein Haus kann nicht einfach in zwei gleichartige Teile zerlegt werden), erfolgt die Teilung bei Immobilien durch die Versteigerung und anschließende Aufteilung des Erlöses (§§ 752, 753 BGB).

Kann ein Ehegatte Einwände gegen die Teilungsversteigerung erheben?

Nur ausnahmsweise prüft das Vollstreckungsgericht von Amts wegen Rechte, die der Zulässigkeit der Teilungsversteigerung entgegenstehen können (z.B., wenn sie im Grundbuch eingetragen sind). In anderen Fällen muss ein Ehegatte, der die Teilungsversteigerung für unzulässig hält, entgegenstehende Rechte ausdrücklich geltend machen. Dies hat die Ehefrau im zugrundeliegenden Fall mit einem Antrag nach § 771 ZPO getan, der sog. Drittwiderspruchsklage. Im Wege der Drittwiderspruchsklage kann ein „die Veräußerung hinderndes Recht“ geltend gemacht werden.

Als ein „die Veräußerung hinderndes Recht“ kommt bei Eheleuten häufig die Vorschrift gemäß § 1365 BGB in Betracht: Danach kann ein Ehegatte nur mit Einwilligung des anderen Ehegatten über sein Vermögen im Ganzen verfügen. Wenn der Miteigentumsanteil an der Immobilie also (nahezu) das gesamte Vermögen eines Ehegatten ausmacht (ca. 85-90 % des Vermögens), soll dieses Vermögen nicht ohne Einwilligung des anderen Ehegatten der ehelichen Lebensgrundlage entzogen werden dürfen, etwa durch eine Teilungsversteigerung. In dem Fall, über den der Bundesgerichtshof zu entscheiden hatte, war jedoch nicht das nahezu ganze Vermögen des Ehemannes betroffen. Denn die Eheleute verfügten neben der Wohnung, die im Wege der Teilungsversteigerung verwertet werden sollte, noch über ein hinreichend werthaltiges Ferienhaus in der Türkei. Der Einwand der Verfügung über Vermögen im Ganzen (§ 1365 BGB) stand der Teilungsversteigerung daher nicht entgegen.

Als weiteren Einwand gegen die Teilungsversteigerung der Ehewohnung berief sich die Ehefrau auf die Pflicht zur ehelichen Fürsorge und Rücksichtnahme gemäß § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB. Diese Rücksichtnahmepflicht betrifft auch den rechtlich geschützten räumlich-gegenständlichen Lebensbereich der Ehegatten, der durch eine Versteigerung der Ehewohnung beeinträchtigt werden kann. Bereits in der Vergangenheit hatte der Bundesgerichtshof entschieden, dass die Ehewohnung diesen Charakter während der gesamten Trennungszeit beibehalte (so BGH, Beschluss vom 28. September 2016, Az. XII ZB 487/15). Vereinzelt wurde hieraus in Rechtsprechung und Literatur der Schluss gezogen, dass schon der Charakter als Ehewohnung ein Verbot der Teilungsversteigerung vor Rechtskraft der Ehescheidung bedeute. Dieser Ansicht erteilte der Bundesgerichtshof nun eine Absage.

BGH: Teilungsversteigerung der Ehewohnung vor Ehescheidung nicht per se unzulässig

Der Bundesgerichtshof stellt klar, dass während der Trennungszeit kein pauschales Verbot der Teilungsversteigerung bestehe. Auch vor Rechtskraft der Ehescheidung könne eine Teilungsversteigerung der Ehewohnung zulässig sein. Es sei stets eine Abwägung der beiderseitigen Interessen nach den konkreten Umständen des Einzelfalles vorzunehmen. Im Rahmen der Abwägung können folgende Kriterien zu berücksichtigen sein:

  • Beweggründe des Ehegatten, der die Teilungsversteigerung verlangt:
    • Verfolgt dieser primär ehefeindliche Absichten?
    • Wird die Androhung der Teilungsversteigerung als Druckmittel verwendet, um den anderen Ehegatten zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen?
    • Bestehen triftige Gründe für die Teilungsversteigerung während der Trennung?
    • Wie dringend ist der Ehegatte, der die Teilungsversteigerung betreibt, auf den Erlös aus der Versteigerung angewiesen?
  • Interesse des Ehegatten, der in der Ehewohnung verbleiben möchte:
    • Sind mit einer Veränderung der Wohnsituation Gefährdungen der physischen und/oder psychischen Gesundheit verbunden?
    • Wie lange lebt der Ehegatte bereits in der Ehewohnung?
    • Kann zumutbarer Ersatzwohnraum beschafft werden, auch unter Berücksichtigung eines zu erwartenden Erlöses aus der Teilungsversteigerung?
  • Belange der im Haushalt lebenden (insbesondere minderjährigen) Kinder:
    • Ob und inwieweit ist das Wohl der Kinder durch einen Auszug aus der Ehewohnung beeinträchtigt?  
    • Welche konkreten Belastungen in der Lebensführung der Kinder wären mit einem zwangsweisen Wohnungswechsel verbunden? (z.B. besondere psychosoziale Belastung, erforderlicher Schulwechsel, etc.)
    • Gehen konkrete Belastungen über typische, mit einem Wohnungswechsel verbundene Unannehmlichkeiten hinaus?
  • Dauer des Getrenntlebens:
    • Je länger die Trennung bereits andauert, desto mehr Zeit stand dem Ehegatten, der sich gegen die Teilungsversteigerung wendet, zur Verfügung, um sich auf die geänderten Verhältnisse einzustellen. Bei langer Trennungszeit kann unter Umständen ein Ehewohnungsverfahren zu erwägen sein, um ein Mietverhältnis an der Ehewohnung begründen zu lassen.
  • Unter welchen Umständen und aus welchem Grunde wurde das Miteigentum begründet?

Im zugrundeliegenden Fall kam der Bundesgerichtshof zu dem Ergebnis, dass dem Interesse des Ehemannes an der Versteigerung der Ehewohnung Vorzug gegenüber dem Interesse der Ehefrau an der Weiternutzung einzuräumen sei.

Fazit:

Hinsichtlich der Frage, ob ein Ehegatte bereits vor Rechtskraft der Ehescheidung die zwangsweise Verwertung der Ehewohnung verlangen kann, bestand in der Rechtsprechung und der Literatur seit Jahren Unsicherheit. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs hat zu dieser Frage nun Klarheit geschaffen. Sie verdeutlicht jedoch, dass es – wie so häufig und insbesondere im Familienrecht – stets auf eine Abwägung im Einzelfall ankommt. Die Ausführungen des Bundesgerichtshofs, welche Interessen jeweils auf Seiten der beteiligten Ehegatten in den Blick zu nehmen und abzuwägen sind, bieten einen Orientierungspunkt. Wie ein Gericht im Rahmen einer Abwägung im Einzelfall entscheidet, ist jedoch kaum prognostizierbar.

Ist die Teilungsversteigerung während der Trennung grundsätzlich zulässig, besteht auch noch im Versteigerungsverfahren die Möglichkeit einer Einstellung oder Aufhebung: So kann das Verfahren unter den Voraussetzungen des § 180 Abs. 2, 3 ZVG einstweilig eingestellt werden oder in Härtefällen Vollstreckungsschutz gemäß § 765a ZPO gewährt werden. Generell bietet das Teilungsversteigerungsverfahren viele taktische Möglichkeiten, teilweise bereits vor der Antragstellung, je nachdem, welches Ziel ein Ehegatte verfolgt. Auch wenn ein Ehegatte mit der Teilungsversteigerung nicht einverstanden ist, ist der sog. Beitritt die wichtigste Verteidigungsmaßnahme.

Autorin: Sarah Schreinemachers

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Sarah Schreinemachers
  • Rechtsanwältin

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