
Streitigkeiten zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern während laufender Bauvorhaben sind gang und gäbe. Eskalieren sie, sind wechselseitige Kündigungen des betroffenen Bauvertrages eine häufige Folge. Welche Auswirkungen sich daraus für den Vergütungsanspruch des Auftragnehmers ergeben, hängt dann regelmäßig davon ab, ob die vom Auftraggeber ausgesprochene Kündigung oder aber die Kündigung durch den Auftragnehmer wirksam ist. Mit der Frage, was eigentlich gilt, wenn beide Kündigungen unwirksam sind, hatte sich nun in diesem Jahr das Berliner Kammergericht zu befassen (Urteil v. 15.05.2025 – 27 U 117/23 -).
Der Fall
Der Auftragnehmer (AN) hatte für den Auftraggeber (AG) im Rahmen der Sanierung einer Hochschule Trockenbauarbeiten zu erbringen.
Wegen eines vom AG nicht angenommenen Nachtragsangebotes stellte der AN seine Arbeiten ein. Auf eine Aufforderung des AG zur Arbeitsaufnahme reagierte der AN nicht. Der AG erklärte daraufhin die außerordentliche Kündigung des Bauvertrages und sprach zugleich ein Baustellenzutrittsverbot für den AN aus.
Dieser wies die Kündigung umgehend gem. § 174 S. 1 BGB zurück, da der AG keine Vollmachtsurkunde zugunsten der Unterzeichnerin des Kündigungsschreibens vorgelegt hatte. Der AG hielt gleichwohl an dem von ihm ausgesprochenen Baustellenzutrittsverbot fest. Daraufhin erklärte der AN seinerseits schriftlich die außerordentliche Kündigung des Bauvertrages gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B.
Mit seiner im Folgenden erhobenen Klage hat der AN eine Vergütung für die von ihm nicht mehr erbrachten Leistungen beansprucht. Er hat dazu geltend gemacht, dass die von ihm erklärte außerordentliche Kündigung wegen ernsthafter und endgültiger Annahmeverweigerung des AG wirksam sei, weshalb ihm ein Anspruch auf den vereinbarten Werklohn auch wegen der nicht mehr erbrachten Leistungen zustehe.
Die Entscheidung
Dieser Argumentation ist das Kammergericht in seinem Urteil vom 15. Mai 2025 nicht gefolgt. Es hat die Voraussetzungen für eine berechtigte außerordentliche Kündigung durch den AN nicht als erfüllt angesehen. Aber auch die Kündigung des AG war aufgrund ihrer Zurückweisung durch den AN wegen der fehlenden Vollmachtsurkunde gem. § 174 S. 1 BGB unwirksam. Damit waren beide Kündigungen unwirksam.
Trotzdem hat das Kammergericht den Bauvertrag als beendet angesehen. Denn es ist davon ausgegangen, dass die Parteien den Vertrag einvernehmlich konkludent (= stillschweigend) aufgehoben haben. Dies kann zwar für sich genommen nicht allein aus den wechselseitigen unwirksamen Kündigungen geschlossen werden. Jedoch ließ hier das weitere Verhalten der Parteien im Anschluss an die Kündigungen klar erkennen, dass beide Parteien – unabhängig von der jeweiligen Wirksamkeit ihrer Kündigung – nicht weiter an dem Bauvertrag festhalten wollten.
So hatten sich die Parteien bereits kurz nach den wechselseitigen Kündigungen auf einen Termin zur gemeinsamen Feststellung des Leistungsstandes des AN geeinigt und diesen auch durchgeführt. Im Anschluss daran hatte der AG ein Drittunternehmen mit der Fertigstellung der noch offenen Trockenbauarbeiten beauftragt, was auch vom AN nicht beanstandet worden war. Wegen dieser einvernehmlichen Abstandnahme von der weiteren Vertragserfüllung hat das Kammergericht eine konkludente Vertragsaufhebung angenommen, obwohl die Parteien dabei keine Einigung über die Vergütungsansprüche des AN getroffen hatten.
Mangels Vereinbarung über die mit der Vertragsaufhebung verbundenen Rechtsfolgen bestimmen sich die wechselseitigen Ansprüche nach dem Urteil des Kammergerichts nun danach, welche materiell-rechtlichen Ansprüche den Vertragsparteien im Zeitpunkt der einvernehmlichen Vertragsaufhebung zustanden. Maßgeblich ist deshalb, ob die Vertragsbeendigung vom AG grundlos oder aus wichtigem Grund herbeigeführt worden ist oder ob sich umgekehrt der AN auf einen ihm zustehenden Kündigungsgrund berufen konnte.
Haben beide Vertragsparteien im Zeitpunkt der einvernehmlichen Vertragsaufhebung kein Recht zur außerordentlichen Beendigung des Bauvertrages, kann dem AN die volle Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen nach § 648 S. 2 BGB, § 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B zustehen.
Hier aber hatte der AG einen wichtigen Kündigungsgrund. Seine Kündigung ist lediglich an formellen Mängeln gescheitert. Materiell war der AG jedoch zur außerordentlichen Kündigung des Bauvertrages berechtigt, während der AN nach Auffassung des Kammergerichts nicht zu einer Einstellung der Bauleistungen berechtigt war. Dementsprechend hat das Kammergericht auch einen Vergütungsanspruch des AN für die nicht mehr erbrachten Leistungen verneint.
Fazit
Die Entscheidung zeigt, dass bei unwirksamen wechselseitigen Kündigungen eines Bauvertrages eine stillschweigende einvernehmliche Vertragsaufhebung angenommen werden kann, wenn die Parteien erkennbar nicht mehr an dem Vertrag festhalten wollen. Mangels einer Vereinbarung über die Folgen der Vertragsbeendigung richten sich diese dann nach der materiellen Rechtslage zum Zeitpunkt der Vertragsaufhebung.
Dies ist hier zugunsten des Auftraggebers ausgegangen. Je nach Lage des Falles kann dies aber auch zugunsten des Auftragnehmers ausgehen, dem dann die volle Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen auch für die nicht mehr erbrachten Leistungen zustehen kann.
Dies macht zugleich deutlich, dass Kündigungen von Bauverträgen in Konfliktsituationen immer mit Unwägbarkeiten und Risiken für beide Seiten verbunden sind. Die Parteien eines Bauvertrags sind deshalb gut beraten, wenn sie bei Meinungsverschiedenheiten zunächst eine einvernehmliche Lösung im Verhandlungsweg suchen. Dies entspricht auch dem bauvertraglichen Kooperationsgebot, das vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung seit Jahren betont wird.
Autor: Alfred Hennemann
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