11.06.2025
FG Münster: Vergütungen an Gesellschafter zählen zur Lohnsumme bei Erbschaftsteuer – wichtig für Unternehmensnachfolge und steuerliche Begünstigungen.
FG Münster stärkt die Unternehmensnachfolge: Vergütungen an Gesellschafter zählen zur Lohnsumme und sichern steuerliche Vorteile bei der Erbschaftsteuer (credits: adobestock).

Urteil des FG Münster vom 15.04.2025 (3 K 483/24 F): Unternehmerlöhne von KG-Gesellschaftern sind bei der Lohnsumme für Erbschaftsteuerzwecke zu berücksichtigen.

I. Sachverhalt

Im Mittelpunkt des Verfahrens vor dem Finanzgericht (FG) Münster stand die Frage, ob die an zwei mitarbeitende Gesellschafter der klagenden GmbH & Co. KG gezahlten Vergütungen bei der Ermittlung der maßgebenden jährlichen Lohnsummen im Sinne des § 13a Abs. 4 ErbStG zu berücksichtigen sind. Das ist entscheidend für die Frage, ob erbschaftsteuerliche und schenkungsteuerliche Vergünstigungen bei einer Unternehmensübertragung erhalten bleiben.

Hintergrund und Beteiligte

Die Klägerin, eine GmbH & Co. KG. Hauptgesellschafter war zunächst V., der die Geschäftsführung ausübte. Nach seinem Tod 2011 erbten S und T jeweils zur Hälfte die Gesellschaftsanteile. Beide traten in vertragliche Beschäftigungsverhältnisse mit der Gesellschaft ein.

S war bereits zuvor Geschäftsführer und setzte diese Tätigkeit fort. T war ab Oktober 2011 ebenfalls angestellt, zog sich jedoch später aus der aktiven Mitarbeit zurück. Für ihre Tätigkeiten erhielten sie folgende Vergütungen:

  • S: 1.138.500 € (zwischen 2011 bis 2016)
  • T: 266.517 € im gleichen Zeitraum

Diese wurden in der Gewinn- und Verlustrechnung als „Löhne und Gehälter“ verbucht. Das Erbschaftsteuerfinanzamt forderte 2021 eine Feststellung der maßgebenden jährlichen Lohnsummen durch das Betriebsfinanzamt. Dieses setzte die Lohnsumme unter Ausschluss der Gesellschaftervergütungen auf 9.691.480 € fest. Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde zurückgewiesen. Begründung: Nach der Verwaltungsanweisung H E 13a.4 Abs. 2 ErbStH seien Vergütungen an Gesellschafter-Geschäftsführer bei Personengesellschaften generell nicht lohnsummenrelevant, auch dann nicht, wenn die Gesellschafter sozialversicherungsrechtlich als Arbeitnehmer behandelt würden.

Die Klägerin klagte auf Berücksichtigung der Vergütungen beider Gesellschafter und verlangte die Feststellung einer Lohnsumme von 11.086.498 €.

II. Entscheidungsgründe

Das FG Münster gab der Klage vollumfänglich statt und widersprach der Verwaltungsauffassung. Der maßgebende Betrag von 1.405.017 € an Gesellschaftervergütungen sei der Lohnsumme hinzuzurechnen.

1. Maßgeblicher Rechtsrahmen

Das Gericht prüfte § 13a Abs. 4 ErbStG in der Fassung vom 22.12.2009 (a.F.) und stellte klar:

„Vergütungen in diesem Sinne sind alle Vergütungen, die im maßgebenden Zeitraum an die Beschäftigten gezahlt werden, mithin alle Löhne und Gehälter – unabhängig von ihrer ertragsteuerlichen Qualifikation.“

Eine rein steuerrechtliche Sichtweise – insbesondere die Einordnung als Sonderbetriebseinnahmen gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG – sei für die Auslegung des Begriffs „Lohnsumme“ unzureichend.

2. Auslegung des Begriffs „Vergütung“ und „Beschäftigte“

Der Senat stellte klar, dass der Begriff „Vergütung“ auch Zahlungen an Gesellschafter umfasse, sofern:

  • eine vertragliche Grundlage besteht,
  • der Aufwand handelsrechtlich als „Löhne und Gehälter“ bilanziert wird,
  • und die Vergütung angemessen ist.

„Maßgeblich ist die handelsrechtliche Behandlung als Aufwand, soweit die vertraglich vereinbarten und tatsächlich gezahlten Vergütungen angemessen sind.“

3. Handelsrechtliche Systematik maßgeblich

Das Gericht argumentierte, dass die handelsrechtliche Bilanzierung entscheidend sei:

„Der Gesetzgeber wollte die Lohnsumme ohne erheblichen Verwaltungsaufwand aus den handelsrechtlichen Büchern des Steuerpflichtigen übernehmen.“

Demnach sollen Vergütungen, die in der Gewinn- und Verlustrechnung als Aufwand für „Löhne und Gehälter“ nach § 275 Abs. 2 Nr. 6 HGB erfasst sind, in die Lohnsumme eingehen – unabhängig von der steuerrechtlichen Behandlung.

4. Sinn und Zweck der Lohnsummenregelung

Das Gericht stellte heraus, dass nicht der konkrete Arbeitsplatzschutz, sondern der Erhalt eines bestimmten Beschäftigungsvolumens Ziel der Lohnsummenregelung sei:

„Der Schutz des individuellen Arbeitsplatzes […] ist nicht Ziel der Regelungen. Vielmehr ist der grundsätzliche Arbeitsplatzerhalt […] Zweck der Regelung.“

Die Einbeziehung der Geschäftsführer-Vergütungen diene diesem Ziel, da gerade diese Positionen für kleine Unternehmen betriebsprägend seien.

5. Angemessenheitskontrolle verhindert Missbrauch

Das FG sah auch keine Missbrauchsgefahr, obwohl bei Personengesellschaften keine ertragsteuerliche Fremdvergleichsprüfung stattfindet. Eine sachgerechte Angemessenheitskontrolle sei gleichwohl möglich, z. B. nach § 202 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. d) Satz 2 BewG.

III. Einordnung und Auswirkungen

Relevanz für Steuerberater

Das Urteil bietet klare Kriterien zur Ermittlung der Lohnsumme bei Betriebsvermögensübertragungen von Personengesellschaften im Rahmen der §§ 13a, 13b ErbStG:

  • Handelsrechtliche Buchführung gewinnt erheblich an Bedeutung.
  • Steuerberater können für die Lohnsummenberechnung auf die G+V zugreifen.
  • Auch Gesellschafter-Vergütungen, sofern fremdüblich, sind einzubeziehen.

Das Urteil widerspricht der restriktiven Verwaltungsauffassung und eröffnet Gestaltungsspielräume zugunsten der Steuerpflichtigen – allerdings nur bei sorgfältiger Dokumentation und Angemessenheit der Vergütungen.

Bedeutung für Unternehmer

Gerade in mittelständischen Unternehmen mit familiärer Nachfolge sind Gesellschafter regelmäßig als Geschäftsführer tätig. Diese Vergütungen zählen nach dem Urteil des FG Münster zur Lohnsumme, was die Einhaltung der Voraussetzungen für die erbschaftsteuerlichen Begünstigungen erleichtert und somit:

IV. Fazit

Das Urteil des FG Münster (Az. 3 K 483/24 F) vom 15.04.2025 stellt klar:

  • Vergütungen an beschäftigte Gesellschafter einer Personengesellschaft sind in die maßgebende Lohnsumme gemäß § 13a Abs. 4 ErbStG a.F. einzubeziehen, wenn diese vertraglich vereinbart, tatsächlich gezahlt und handelsrechtlich als Löhne und Gehälter verbucht wurden.
  • Die ertragsteuerliche Qualifikation (z. B. als Sonderbetriebseinnahme) ist für die Lohnsummenberechnung nicht ausschlaggebend.
  • Maßgeblich ist die handelsrechtliche Einordnung der Zahlung als Aufwand gemäß § 275 HGB.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Senat hat die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zugelassen. Es bleibt abzuwarten, ob sich der BFH mit der Frage befassen muss. Wir werden Sie auf dem Laufenden halten.


Autor: RA & StB Andreas Jahn

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