
In vielen Kündigungsverfahren kommt es immer wieder schon vorab zu Streit über die Frage, ob das Kündigungsschreiben überhaupt zugegangen ist. Kann der Arbeitgeber den Zugang einer Kündigung nicht nachweisen, kommt es auf die eigentlichen Kündigungsgründe, seien sie noch so gravierend, nicht mehr an. Wir haben schon sehr oft an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass daher auf die Frage des Nachweises des Kündigungszugangs besondere Sorgfalt gelegt werden muss. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat in einem aktuellen Urteil diese Empfehlung bestätigt und klargestellt, dass der Zugang einer Kündigung per Einwurf-Einschreiben nur dann als Nachweis überhaupt geeignet ist, wenn der Arbeitgeber im Prozess den Auslieferungsbeleg des jeweiligen Postzustellers vorlegen kann (LAG Baden-Württemberg v. 12.12.2023, 15 Sa 20/23). Die Entscheidung macht einmal mehr deutlich, dass bei der Kündigungszustellung viele Fehler gemacht werden können.
Der Fall (verkürzt):
Die Arbeitnehmerin ist bei der Beklagten überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft von Augenärzten seit dem 1.5.2021 als medizinische Fachangestellte beschäftigt. Sie verdiente zuletzt 2.800,00 € brutto monatlich.
Die Praxis warf der Klägerin strafbares Verhalten vor (u.a. Urkundenfälschung im Zusammenhang mit der Corona-Schutzimpfung ihres Mannes). In der Folge kam es zu mehreren Kündigungen und Prozessen. Wir möchten an dieser Stelle auf die Darstellung des ausführlichen Sachverhaltes verzichten und beschränken uns hier auf die Frage, ob eine Kündigung vom 26.7.2022 zugegangen ist.
Mit dieser Kündigung vom 26.7.2022 sollte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30.9.2022 gekündigt werden. Der Zugang dieser Kündigung ist zwischen den Parteien streitig.
Die Klägerin behauptet, diese Kündigung nie bekommen zu haben. Sie haben von der Kündigung erstmals im Prozess in einem Schriftsatz des Arbeitgebers vom 4.11.2022 erfahren. Der Arbeitgeber hingegen behauptet, die Kündigung sei nachweislich durch Einwurf-Einschreiben vom 28.7.2022 zugegangen. Die Klägerin habe daher die notwendige dreiwöchige Klagefrist versäumt und die Kündigung gelte als wirksam.
Der Arbeitgeber hat sich zum Nachweis auf seine Mitarbeiterin als Zeugin berufen. Diese habe das Kündigungsschreiben am 26.7.2022 in einen Umschlag gesteckt und diesen unter der Sendungsnummer RT123792022DE bei der Deutschen Post als Einschreiben aufgegeben. Ausweislich des im Prozess vorgelegten Sendungsstatus sei das Schreiben mit der entsprechenden Sendungsnummer der Klägerin sodann am 28.7.2022 zugestellt worden.
Die Klägerin bestreitet vehement, ein Schreiben erhalten zu haben.
In erster Instanz hat das Arbeitsgericht die Zustellung der Kündigung als nachgewiesen angesehen. Hierfür spreche der Beweis des ersten Anscheins auf der Grundlage des vorgelegten Statusberichts der Deutschen Post. Dieser Beweis des ersten Anscheins könne zwar widerlegt werden. Es reiche aber nicht aus, den Zugang bloß zu bestreiten. Weitere relevante Tatsache habe die Klägerin aber nicht vorgetragen.
Die Entscheidung:
Im Berufungsverfahren hat hingegen das Landesarbeitsgericht den Beweis des ersten Anscheins abgelehnt und die Kündigung als nicht zugegangen angesehen.
I. Einwurf-Einschreiben und Beweis des ersten Anscheins
Nutzt der Arbeitgeber für die Zustellung einer Kündigung den Weg des Einwurf-Einschreibens, werden dabei unterschiedliche Dokumente erstellt. Zunächst gibt es den Einlieferungsbeleg über die Aufgabe des Einwurf-Einschreibens. Zudem kann dann die Zustellung des Einwurf-Einschreibens nach dem sogenannten Sendungsstatus abgerufen und auch ausgedruckt werden. Der Sendungsstatus erfolgt unter Eingabe der Sendungsnummer und bestätigt elektronisch den Zugang der Sendung.
Schließlich gibt es aber auch noch den Auslieferungsbeleg. Bei einem Einwurf-Einschreiben dokumentiert der hiermit betraute Mitarbeiter der Deutschen Post den Einwurf der eingeschriebenen Sendung in den Empfängerbriefkasten mit einer genauen Datums- und Uhrzeitangabe. Der dabei gefertigte Auslieferungsbeleg wird dann in einen Lesezentrum zentral für Deutschland eingescannt, so dass die genauen Auslieferungsdaten zur Verfügung stehen. Zwar wird das Original des Auslieferungsbelegs beim Scanvorgang zerstört, jedoch kann der Absender anschließend bei einem Callcenter der Deutschen Post AG gegen Zahlung einer Gebühr einen Ausdruck des elektronisch archivierten Auslieferungsbelegs erhalten, auf dem Datum und Ort des Einwurfs sowie das Namenszeichen des Mitarbeiters der Deutschen Post festgehalten sind.
Hinweis für die Praxis:
Mit diesen Dokumenten kann der Beweis des ersten Anscheins für den Zugang der Kündigung geführt werden. Ein solcher Anscheinsbeweis kann aber immer noch von dem Mitarbeiter widerlegt werden. Gelingt ihm dies, ist die Kündigung nicht nachweisbar zugegangen. Widerlegungsgründe können z.B. mehrere gleichlautende Namen in einem Mehrparteienhaus sein oder sonstige konkret ausgeführte Einwände. Nicht ausreichend ist es hingegen, sich schlicht auf den nicht erfolgten Zugang zu berufen.
II. Auslieferungsbeleg maßgeblich!
Das Arbeitsgericht hat in erster Instanz noch den Sendungsstatus als ausreichend für den Nachweis angesehen. Dem hat aber das LAG eine klare Absage erteilt. Der Sendungsstatus bietet nach Auffassung des LAG dem Absender nur die Möglichkeit, unter Angabe der Lieferungsnummer den jeweiligen Status der Sendung, vornehmlich den Hinweis auf deren Zustellung, bestätigt zu bekommen. Aus dem Sendungsstatus geht weder der Name des Zustellers hervor, noch beinhaltete er eine technische Reproduktion einer Unterschrift des Zustellers, mit der letzterer beurkundet, die Sendung eingeworfen zu haben. Die Aussagekraft des Sendungsstatus reicht infolge dessen nicht aus, um auf ihn den Anscheinsbeweis des Zugangs zu gründen, auch nicht in Kombination mit einem dazu passenden Einlieferungsbeleg.
Hinweis für die Praxis:
Arbeitgeber, die das Risiko des Zugangs über ein Einwurf-Einschreiben wählen wollen, müssen daher sowohl den Einlieferungsbeleg als auch den eingescannten Auslieferungsbeleg des jeweiligen Postzustellers im Kündigungsschutzverfahren vorlegen. Ohne diese Dokumente gilt die Kündigung als nicht zugegangen und auf die Frage des Anscheins kommt es dann schon gar nicht mehr an.
Fazit:
Wir können hier nur unseren ständigen Hinweis, die Kündigungszustellung ausschließlich per Boten durchzuführen, wiederholen. Nur mit einer Botenzustellung ist der sichere Zugang eines Kündigungsschreibens gewährleistet. Es kommt dann auf die Frage des ersten Anscheins und einer etwaigen Widerlegung dieses Anscheinsbeweises nicht mehr an. Wichtig ist, dass dem Boten das Original des Kündigungsschreibens mit Original-Unterschrift der unterschriftsberechtigten Person zur Einsicht vorgelegt wird, damit er später auch nachweisen und bezeugen kann, was er übergeben bzw. eingeworfen hat. Über den Zustellvorgang sollte dann der Bote einen entsprechenden Vermerk erstellen. Nicht nötig ist, dass der Bote von einer weiteren Person begleitet wird. Als vertrauenswürdige Person kann auch ein betriebsangehöriger Mitarbeiter eingesetzt werden. Nur der unterschriftsberechtigte Arbeitgeber in Person darf nicht als Bote fungieren. Werden diese Grundsätze beachtet, werden Rechtsrisiken sicher ausgeschlossen.
Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen
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