Wir werden zur Zeit von vielen verunsicherten Anlegern der in die Schlagzeilen geratenen Fonds LBB 1-13 und IBV Deutschland 1-3 um Rat gefragt, ob zur Hemmung der Verjährung etwaiger Ansprüche unbedingt vor Jahresende Klage – mit entsprechendem Kostenrisiko – erhoben werden muss.

 

Nachfolgend wollen wir im Rahmen einer allgemeinen Stellungnahme schildern, warum nach unserer Auffassung eine Klage zur Zeit nicht zwingend notwendig ist.

 

Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass die nachstehenden Ausführungen keinen Rechtsrat darstellen können, da der Sachverhalt für die einzelnen Fonds jeweils individuell zu prüfen ist. Wir weisen außerdem darauf hin, dass die Frage der Verjährung von verschiedenen Anwälten unterschiedlich beurteilt wird. Für einen verbindlichen Rat sollten Anleger in jedem Fall einen Anwalt mandatieren. Nur im Rahmen eines solchen Mandates übernehmen wir auch die Verantwortung für von uns erteilten Rat.

 

Zum Hintergrund:

In den 90er Jahren legte die Bankgesellschaft Berlin eine Serie geschlossener Immobilienfonds auf, die neben hohen Steuervorteilen auch umfangreiche Mietgarantien sowie das Recht zur Rückgabe der Fondsanteile zum Nominalwert nach Ablauf bestimmter Fristen umfassten. Die Anleger vertrauten auf diese Garantien und befassten sich deshalb nicht näher mit der Qualität der in den einzelnen Fonds enthaltenen Immobilien. Wie mittlerweile zu befürchten steht, wurden die Objekte den Fonds überteuert verkauft, erwirtschaften die prospektierten Renditen nicht und sind die Garantien wohl nicht so umfassend wie im Prospekt dargestellt. Sollte sich dieser – mittlerweile durch viele Anhaltspunkte verfestigte – Verdacht bestätigen, bestehen Ansprüche der Fondszeicher gegen die damaligen Kapitalvermittler, finanzierende Banken und die Prospektherausgeber.

 

Zur Verjährungsproblematik:

Die Schuldrechtsreform im Jahr 2002 hat für viele zivilrechtliche Ansprüche eine neue einheitliche Verjährungsfrist von drei Jahren eingeführt. Eine Übergangsvorschrift (Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB) bestimmt, dass die Dreijahresfrist auch dann maßgeblich ist, wenn für den betreffenden Anspruch bis zum Inkrafttreten der Schuldrechtsreform eine längere Verjährungsfrist gegolten hatte. Weil die neue Dreijahresfrist in diesem Fall am 1.1.2002 zu laufen begann, kann sie zum ersten Mal mit dem 31.12.2004 ablaufen.

 

Klageerhebung – ja oder nein?

 

Wir sind der Auffassung, dass es bei den betroffenen Fonds derzeit Klagen auf Zeichnerebene zur Vermeidung der Verjährung im Regelfall nicht bedarf.

 

Denn abgesehen von der Verjährung für Prospekthaftungsansprüche im engeren Sinn beginnt die Verjährungsfrist der hier vor allem maßgeblichen Ansprüche (Delikt, Verletzung vertraglicher Pflichten, Prospekthaftung im weiteren Sinne etc.) erst mit dem Zeitpunkt, zu dem die Anleger Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis der anspruchsbegründenden Umstände haben. Diese Kenntnis wird man bei den meisten Fonds selbst zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht als gesichert unterstellen können, denn eine gesicherte Informationslage ist aufgrund vieler widersprüchlicher Informationen seitens der Fondsgeschäftsführung, der Verwaltungsräte und der diversen Interessenvertreter der Anlegeropposition nicht gegeben. Von gesicherter Kenntnis sämtlicher anspruchsbegründender  Umstände wird man vielmehr erst dann sprechen können, wenn in den einzelnen Fonds die Ergebnisse der Sonderprüfung vorliegen. U.E. beginnt die Verjährungsfrist erst zu dem Zeitpunkt, zu dem die Ergebnisse der Sonderprüfungen öffentlich gemacht werden bzw. jedem Fondszeichner Gelegenheit gegeben wird, die Ergebnisse anzufordern. Rechnet man ab diesem Zeitpunkt 3 Jahre, so kann Verjährung der Ansprüche in diesem Jahr im Regelfall nicht eintreten. Selbst wenn man für die Kenntnis der Anleger die im Jahr 2003 abgehaltenen Gesellschafterversammlungen ausreichen lassen würde, in denen regelmäßig erstmals auf die problematische Lage der Fonds hingewiesen wurde, könnte die Verjährungsfrist erst ab diesem Zeitpunkt laufen mit der Folge, dass Verjährung ebenfalls nicht zum Ende diesen Jahres eintritt.

 

Hinzu kommt, dass die IBV gegenüber den Zeichnern nicht nur für sich, sondern auch für andere Konzerngesellschaften auf die Einrede der Verjährung bis 31.12.2005 verzichtet und die Bankgesellschaft Berlin mit Schreiben vom 2. Dezember 2004 eine „ernsthafte und dauerhafte Lösung“ in Aussicht gestellt hat. Zwar sind diese Erklärungen nicht zwingend allumfassend, so dass man aus anwaltlicher Vorsorge nicht ohne Weiteres davon ausgehen kann, dass die nicht ausdrücklich erwähnten Ansprüche auch von dem Verzicht auf die Einrede der Verjährung erfasst sein sollen. Allerdings wird zumindest fraglich sein, ob die Bankgesellschaft Berlin bzw. ihre Tochterunternehmen sich angesichts dieses „Beschwichtigungsschreibens“ später unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben werden auf die Einrede der Verjährung berufen können.

 

Ein weiterer Gesichtspunkt ist die zwischenzeitlich wohl erfolgte Aufnahme von Gesprächen zwischen Bankgesellschaft und Opposition, die zur Hemmung der Verjährung durch Verhandlungen gem. § 203 BGB führt. Bei genauer juristischer Betrachtung kann eine Hemmung der Verjährung durch die begonnenen Verhandlungen allerdings nur für diejenigen Anleger eintreten, die auch tatsächlich im Rahmen der Verhandlungen durch entsprechende Stimmrechtsvollmachten vertreten sind, mithin an den Verhandlungen „teilnehmen“.

 

Schließlich ist noch folgender Gesichtspunkt bedenkenswert: Auf Ebene der Fonds sind in vielen Fällen Ansprüche der Fondsgesellschaft gegen die frühere Geschäftsführung wegen Pflichtverletzung (z.B. Abschluss nachteiliger Tilgungsvereinbarungen in Abweichung vom Prospekt) und gegen die Garantiegeber auf Erfüllung denkbar. Hier liegt sicher ein Grund dafür, dass die von einigen befürchtete Insolvenz der Fonds aus Sicht der BGB und des Landes Berlin keine Alternative ist. Denn ein guter Insolvenzverwalter wird als erstes diese Ansprüche konsequent verfolgen, um die Masse zu erhöhen. Ob und wie weit derartige Ansprüche bestehen, hängt sicher auch vom Ergebnis der Sonderprüfungen ab. Werden diese Ansprüche aber auf Fondsebene später konsequent verfolgt, so wird die jeweilige Fondsgesellschaft dadurch in die Lage versetzt, die Ausschüttungen zu bedienen.

 

Fazit:

Zusammenfassend ist festzuhalten:

 

     –    Verjährung der Ansprüche zum 31. Dezember 2004 droht – in der Regel – noch nicht. Gleichwohl sollte jeder Anleger die Verjährungsfrage mit dem Anwalt seines Vertrauens besprechen. Auch wir stehen hierfür gern zur Verfügung.

 

     –    Anleger, die das Klagerisiko aus finanziellen Gründen scheuen, sollten derzeit aus den o.g. Gründen nicht vorschnell klagen, nur weil sonst vermeintlich Verjährung droht.

 

          In jedem Fall sollten Anleger versuchen, über Verhandlungen gem. § 203 BGB die Verjährung zu hemmen. Hierzu empfiehlt sich die Erteilung einer Stimmrechtsvollmacht an eine der Oppositionsgruppen, die sich in Verhandlungen mit der Bankgesellschaft Berlin befinden.

 

          Sofern Ansprüche auch gegen Dritte (Anlagevermittler, finanzierende Banken o.ä.) in Betracht kommen, sollten diese allerdings rein vorsorglich zu einem Verzicht auf die Einrede der Verjährung aufgefordert werden.

 

     –    Anleger, die zur Klage entschlossen sind und das finanzielle Risiko eines Prozesses nicht scheuen müssen (z.B. bei Bestehen einer Rechtsschutzversicherung), sollten gleichwohl vorsorglich lieber früher als später klagen. Denn zum einen wird dann jede Verjährungsdiskussion von vornherein ausgeschlossen, zum anderen ist der durch die Summe der Klagen auf die BGB ausgeübte Druck für die Verhandlungen auf alle Fälle förderlich.

 

Verfasser: RA Alexander Knauss

Lorbeerkranz

Auszeichnungen

  • Anwalt des Jahres in NRW (Alexander Knauss) für Bank- und Finanzrecht
    (Handelsblatt 2023)

  • „Deutschlands Beste Anwälte“ im Bank- und Finanzrecht
    (Handelsblatt 2023)

  • „Deutschlands Beste Anwälte“ im Bank- und Finanzrecht
    (Handelsblatt 2022)

  • TOP-Kanzlei für Bank- und Finanzrecht 
    (WirtschaftsWoche 2022)

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