23.04.2021

Kommt es bei einem Vertragspartner zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 13 InsO), ist es von erheblicher Bedeutung zu wissen, wie die eigene Rechtsposition möglichst effektiv durchgesetzt werden kann. Prägend für das nationale Insolvenzrecht ist der Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung. Hiervon ergeben sich jedoch auch zahlreiche Abweichungen. Denn die Insolvenzordnung (InsO) unterscheidet zwischen Gläubigern mit bloßer Inhaberschaft einer Forderung und solchen Gläubigern, die ihre Forderungen zusätzlich besichert haben. Letztere haben durch ihre Aus- und Absonderungsrechte (§§ 47 ff. InsO) eine grundsätzlich stärkere Rechtsposition inne. Besonders virulent wird diese hervorgehobene Stellung in Krisenzeiten wie in der COVID-19-Pandemie.


Bedeutung für Gläubiger bei der Rechtsdurchsetzung gegenüber ihrem insolventen Vertragspartner (Copyright: Studio Romantic/adobe.stock). 

Aussonderungsberechtigte Gläubiger

Neben den Insolvenzgläubigern (§ 38 InsO) und nachrangigen Gläubigern (§ 39 InsO) unterscheidet die InsO auch hinsichtlich der Frage der Verwertung der Rechte nach dinglichen Rechtspositionen (etwa der Darlehensbesicherung) und anderer gesicherter Forderungen. Gläubiger, die Rechte an zur Insolvenzmasse gehörenden Gegenständen haben (§ 35 InsO), sind von solchen Gläubigern abzugrenzen, die berechtigt sind, einen nicht zur Insolvenzmasse gehörenden Gegenstand auszusondern (§ 47 InsO). Der Anspruch auf Aussonderung des Gegenstands aus der Insolvenzmasse bestimmt sich gemäß § 47 Satz 2 InsO nach den Gesetzen außerhalb des Insolvenzverfahrens; entsprechend können auch die Aussonderungsrechte, insbesondere der eigentumsrechtliche Herausgabeanspruch aus § 985 BGB, im Zivilprozess eingeklagt und durchgesetzt werden. Sie müssen ihre Forderungen gerade nicht nach §§ 174 ff. InsO beim Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle anmelden. Nach entsprechender Prüfung wird der Insolvenzverwalter die Sache an den aussonderungsberechtigten Gläubiger herausgeben. Im Falle der Weigerung des Insolvenzverwalters zur Herausgabe (etwa nach § 985 BGB) kann der Aussonderungsanspruch auch durch eine einstweilige Verfügung (§§ 935 ff. ZPO) gesichert werden. Wurde ein aussonderungsberechtigter Gegenstand vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Insolvenzschuldner oder nach Eröffnung vom Insolvenzverwalter unberechtigt veräußert, kann der Aussonderungsberechtigte nach § 48 Satz 1 InsO die Abtretung des Rechts auf die Gegenleistung verlangen, soweit diese noch aussteht (Ersatzaussonderung).

Zur Aussonderung berechtigt sind insbesondere Eigentümer und Inhaber dinglicher Herausgabeansprüche. Die schlichte Inhaberschaft eines Verschaffungsanspruchs wie beim Kauf einer Sache (Verpflichtungsgeschäft) ist indes nicht ausreichend. Aufgrund des dinglichen Rechts sind die Gläubiger berechtigt, den Gegenstand im wörtlichen Sinne aus der Insolvenzmasse herauszunehmen und somit zu trennen. Sie haben letztlich geltend zu machen, dass ein zur Masse herangezogener Gegenstand tatsächlich nicht der Insolvenzmasse angehört. Dies verschafft aussonderungsberechtigten Gläubigern rechtlich eine deutlich gestärkte Position im Insolvenzverfahren. Sie sind schließlich keine Insolvenzgläubiger, da sie gerade nicht Befriedigung aus der Insolvenzmasse verlangen. Vielmehr möchten sie eine Bereinigung aus der Masse herbeiführen. Voraussetzung für die Entstehung des aussonderungsberechtigten Herausgabeanspruchs ist aber, dass das Recht des Insolvenzschuldners zum Besitz (§ 986 BGB) beseitigt wird. Unter Umständen kann daher die Kündigung des Mietvertrages oder die Erklärung des Rücktritts im Fall der Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts gegenüber dem Insolvenzverwalter erforderlich sein. Dies bringt in praxi gewisse Einschränkungen mit sich. Auch wird nicht selten der Insolvenzverwalter das Bestehen eines Aussonderungsrechtes infrage stellen.

Absonderungsberechtigte Gläubiger

Bei absonderungsberechtigten Gläubigern (§ 49 InsO) richtet sich die Verwertung ihrer Gegenstände, an denen sie Rechte haben, indessen nach den Vorschriften der §§ 49 ff., 165 ff. InsO. Sie werden vorrangig aus dem Verwertungserlös der Gegenstände befriedigt. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass Gläubiger aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bloß noch einen Anspruch auf den in der Sache verkörperten Wert haben. Bis zur Höhe des Absonderungsrechts wird der Gegenstand den anderen Gläubigern wirtschaftlich entzogen. Hierdurch können im Ergebnis insolvenzfeste Sicherheiten geschaffen werden.

Hat der Gläubiger ein Recht an einem zur Insolvenzmasse gehörenden unbeweglichen Gegenstand (Hypothek, Grundschuld etc.), ist er nach Maßgabe des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (ZVG) zur abgesonderten Befriedigung berechtigt (vgl. § 49 InsO). Nimmt er davon Abstand, steht diese Möglichkeit aber dennoch dem Insolvenzverwalter zu (vgl. § 165 InsO).
Handelt es sich bei dem zur Insolvenzmasse gehörenden Gegenstand um eine bewegliche Sache, ergibt sich aus § 166 Abs. 1 InsO, dass der Insolvenzverwalter die Sache freihändig verwerten darf, wenn er sie in seinem Besitz hat. Dies ist nicht selten der Fall, weil der Insolvenzverwalter schließlich zur sofortigen Inbesitznahme nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verpflichtet ist (vgl. § 148 Abs. 1 InsO). Ist der Gläubiger im Besitz der Sache, darf er sie selbst verwerten. Praktisch relevante Absonderungsrechte ergeben sich bei Fällen von Sicherungseigentum, Inhaberschaften einer zur Sicherheit abgetretenen Forderung sowie bei verlängerten oder erweiterten Eigentumsvorbehalten. Auch Pfandgläubiger, Gläubiger eines handelsrechtlichen Zurückbehaltungsrechts (§ 369 HGB) und die öffentliche Hand mit Blick auf Sicherheiten für öffentliche Abgaben und Kosten sind grundsätzlich aussonderungsberechtigt.

Trotz der formalen Stellung als Eigentümer sind Sicherungseigentümer und Eigentümer im Rahmen eines verlängerten bzw. erweiterten Eigentumsvorbehalts nicht berechtigt, die Sache aus der Insolvenzmasse auszusondern (§ 47 InsO). Dem liegt die rechtliche Wertung zugrunde, dass ihnen nur der in der Sache wirtschaftlich verkörperte Wert zugewiesen ist und nicht die Sache als solche. Ihnen geht es schließlich allein um die Absicherung ihrer Zahlungsforderungen und nicht um den Sicherheitsgegenstand als solchen.

Verwertet der Insolvenzverwalter die in seinem Besitz befindlichen Sachen oder die vom Schuldner zur Sicherheit abgetretenen Forderungen, hat er das alleinige Verwertungsrecht. Der absonderungsberechtigte Gläubiger wird sodann aus dem Erlös befriedigt, von dem grundsätzlich pauschal 9 % Prozent des Verwertungserlöses für Kosten der Feststellung und der Verwertung (vgl. § 171 InsO) sowie eine eventuell der Masse angefallene Umsatzsteuer abgezogen werden. Wenn der Gläubiger die Sache mangels Besitz des Insolvenzverwalters selbst verwertet, fallen keine Feststellungs- und Verwertungskosten an. Den seine Forderung übersteigenden Erlös hat der verwertende Gläubiger aber an die Insolvenzmasse auszukehren.
Ferner ist zu berücksichtigen, dass absonderungsberechtigte Gläubiger – im Gegensatz zu aussonderungsberechtigten Gläubigern – am Insolvenzverfahren teilnehmen und ihnen deshalb die Möglichkeit offensteht, ihre Forderung nach §§ 174 ff. InsO zur Insolvenztabelle anzumelden. Aufgrund ihrer Teilhabe werden sie bereits am Verwertungserlös befriedigt. Aus diesem Grund können sie ihr Recht zur abgesonderten Befriedigung nur insoweit zur Insolvenztabelle anmelden, wie sie auf ihr Recht zur abgesonderten Befriedigung verzichtet haben oder mit ihrer Forderung trotz der Teilnahme am Verwertungserlös ausgefallen sind (vgl. § 52 Satz 2 InsO).

Fazit

Im Falle der Insolvenz kommt der Frage, ob Aus- oder Absonderungsrechte des Gläubigers einschlägig sind, eine rechtlich entscheidende und wirtschaftlich bedeutende Rolle zu. Aussonderungsberechtigte Gläubiger (§ 47 InsO) profitieren von ihrer starken Rechtsposition außerhalb des Insolvenzverfahrens, während sich absonderungsberechtigte Gläubiger (§ 49 InsO) in aller Regel nur anteilig am Verwertungserlös befriedigen können.

Im Rahmen der Vertragsgestaltung und des Vertragsabschlusses sollte der Fall einer möglichen Insolvenz des Vertragspartners deshalb unbedingt mitberücksichtigt und dieses Risiko abgesichert werden. Absonderungsberechtigte Gläubiger können am Verwertungserlös teilhaben und besitzen immerhin eine bessere Rechtsposition als einfache Insolvenzgläubiger. Sie erhalten meist noch den zerschlagenen Erlös abzüglich der Verwertungskosten und nicht, wie ein einfacher Insolvenzgläubiger, nur eine geringe Quote des ursprünglichen Forderungswertes. Dies gilt insbesondere in Krisenzeiten wie in der COVID-19-Pandemie.

Verfasser

Rechtanwalt Dr. Karl Brock & Rechtsreferendar Valentin Bogner, MEYER-KÖRING, Bonn

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