Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 27.11.2025 (Az. 5 U 18/24) die MW Finance GmbH als Emittentin und die frühere MW Vermögens- und Finanzberatung GmbH verurteilt, einem Anleger 153.000 € Zug um Zug gegen Übertragung der stillen Beteiligung zu zahlen.
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Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 27.11.2025 (Az. 5 U 18/24) die MW Finance GmbH als Emittentin und die frühere MW Vermögens- und Finanzberatung GmbH verurteilt, einem Anleger 153.000 € Zug um Zug gegen Übertragung der stillen Beteiligung zu zahlen.

Entscheidender Aspekt des Urteils ist die Feststellung einer Prospektpflicht gem.
§ 6 VermAnlG für die stillen Beteiligungen an der MW Finance GmbH und der darauf gestützte Rückabwicklungsanspruch nach § 21 Abs. 1 S. 1 VermAnlG, weil ein solcher Prospekt nicht veröffentlicht und folglich auch nicht den Anlegern zur Verfügung gestellt wurde.

Der Fall

Der Kläger hatte seit 2007 in Produkte der MW-Group investiert. Nach Beratung durch einen Vermittler der MW Vermögens- und Finanzberatung GmbH beteiligte er sich zunächst an „MW Global Equities 50+“, später an der Fincap Investment CVBA sowie einer angeblichen MW Global Investments CVBA. Bei den CVBAs handelt es sich um eine belgische Rechtsform, die man sinngemäß als „Genossenschaft mit beschränkter Haftung“ übersetzen könnte.

Im Juli 2021 wurde ihm mitgeteilt, die MW-Group beabsichtige, rückwirkend zum 1.1.2021 Genossenschaftsanteile der MW Global Investments CVBA in eine stille Gesellschaft in Deutschland einzubringen; der Kläger sollte hierzu einen Vertrag über die Errichtung einer stillen Gesellschaft schließen und seine bisherigen Anteile einbringen. Einen Prospekt oder ein Vermögensanlagen-Informationsblatt erhielt er nicht. Nach Unterzeichnung der ihm vorgelegten Vereinbarungen bestätigte die MW Vermögens- und Finanzberatung dem Kläger schriftlich, seine Kapitaleinlage in die stille Beteiligung sei mit 170.000 € erbracht worden, indem dieser Betrag zum 1.1.2021 aus der CVBA entnommen worden sei. Der Betrag von 170.000 € entsprach dem Stand des Kapitalkontos des Klägers in der (angeblichen) MW Global Investments CVBA per 31.12.2020 und setzte sich zusammen aus Einzahlungen des Klägers und ihm gutgeschriebener (Schein-) Gewinne.

Nachdem der Kläger zunächst insgesamt 17.000 € an Auszahlungen erhalten hatte, blieben weitere Zahlungen aus. Das LG Frankfurt gab seiner auf Rückzahlung und Schadenersatz gerichteten Klage durch Urteil vom 22.12.2023 – 2-08 O 34/23 im Wesentlichen statt.

Die Entscheidung des OLG Frankfurt

Im Berufungsverfahren hat der zuständige Senat des OLG Frankfurt eine Reihe von auch über den Einzelfall hinaus bedeutsamen Feststellungen getroffen.

Anspruch nach dem Vermögensanlagengesetz (VermAnlG)

Wird entgegen § 6 VermAnlG kein Verkaufsprospekt veröffentlicht, kann der Erwerber gem. § 21 Abs. 1 S. 1 VermAnlG die Übernahme der Vermögensanlage gegen Erstattung des Erwerbspreises verlangen, sofern das Erwerbsgeschäft vor Veröffentlichung eines Verkaufsprospekts und innerhalb von zwei Jahren nach dem ersten öffentlichen Angebot abgeschlossen wurde. Das OLG bejahte im konkreten Fall die Anwendbarkeit der Norm.

Prospektpflicht

Streitentscheidend war, ob es sich bei den stillen Beteiligungen an der MW Finance GmbH um ein öffentliches Angebot i.S.d. § 6 VermAnlG handelte. MW hatte sich auf die Ausnahme des § 2 Abs. 1 Nr. 6 VermAnlG („begrenzter Personenkreis“) berufen und argumentiert, das Angebot sei nur früheren Anlegern der belgischen Genossenschaften unterbreitet worden. Das OLG widerspricht klar:

„Auch handelt es sich bei dem an die Kunden der Beklagten zu 2. herangetragenen Angebot, eine stille Beteiligung an der Beklagten zu 4. zu übernehmen, nicht um eine Vermögensanlage, die lediglich einem begrenzten Personenkreis angeboten wurde […] Es ist davon auszugehen, dass die Beklagte zu 2., die eigenen Angaben zufolge über etwa 25.000 Kunden verfügt hat, eine ganz erhebliche Anzahl von Personen in gleicher Weise wie den Kläger hat ansprechen lassen.

Zwar nennt der Gesetzgeber für das Vermögensanlagegesetz keine konkrete Zahl, bis zu der die Ausnahme greifen soll. Unabhängig davon, ob insofern Art. 1 Abs. 4 lit. b) ProspVO als Anhaltspunkt herangezogen werden kann, nach dem ein Wertpapierangebot prospektfrei ist, das sich an weniger als 150 natürliche oder juristische Personen pro Mitgliedstaat richtet, bei denen es sich nicht um qualifizierte Anleger handelt (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 28.11.2024 – 2 U 157/21, juris, Rn. 13, diese Grenze erwähnend in einem Fall, in dem sich das Angebot allerdings nur an maximal 30 Anleger gerichtet war), handelt es sich bei einer Anzahl von jedenfalls mehreren tausend Kunden, die als Adressat des Angebots in Betracht kommen, nicht mehr um einen zahlenmäßig begrenzten Personenkreis im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 6 VermAnlG.(Hervorhebung durch uns)

Und weiter:

„[…] handelt es sich bei einer Anzahl von jedenfalls mehreren tausend Kunden, die als Adressat des Angebots in Betracht kommen, nicht mehr um einen zahlenmäßig begrenzten Personenkreis im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 6 VermAnlG.“
(Hervorhebung durch uns)

Konsequenz: Der Senat bejaht die Prospektpflichtund da ein Prospekt unstreitig nicht existiert, den Anspruch des Klägers nach § 21 VermAnlG.

Höhe des Erwerbspreises

Dabei stellte sich die Frage, welcher Betrag für den Rückzahlungsanspruch des Anlegers als „Erwerbspreis“ anzusetzen ist, da der Anleger zur Erfüllung der Einlageverpflichtung seine CVBA-Anteile samt Rechten und Pflichten auf die MW Finance GmbH übertragen hatte.

Das OLG hält die Beklagten an ihrer eigenen Bestätigung fest:

„Unabhängig vom tatsächlichen Wert der zuvor vom Kläger gehaltenen Anteile an der MW Global Investments CVBA besteht der Anspruch des Klägers in der von ihm geltend gemachten Höhe, denn die Beklagten zu 2. und 4. müssen sich in diesem Zusammenhang – unabhängig von der tatsächlichen Werthaltigkeit der zuvor vom Kläger innegehabten Genossenschaftsanteile – an der gegenüber dem Kläger getätigten Aussage der Beklagten zu 2. im Schreiben vom 18.8.2021 festhalten lassen, er habe seine Kapitaleinlage in die Beklagte zu 4. in Höhe von € 170.000,00 erbracht.“ (Hervorhebung durch uns)

Für die Rückzahlung nach § 21 VermAnlG maßgeblich ist damit der Gesamtwert der belgischen Beteiligungen, der Einzahlungen und gutgeschriebene (Schein-)Gewinne umfasst – abzüglich bereits erhaltener Auszahlungen.

Erstattung von Anwaltskosten im Steuerstrafverfahren

Viele MW-Anleger sind zusätzlich mit Steuernachforderungen und steuerstrafrechtlichen Ermittlungen konfrontiert. Der Kläger hatte – auf Empfehlung – eine auf Steuerstrafrecht spezialisierte Kanzlei mandatiert und die Kosten als Schaden geltend gemacht. Das OLG korrigierte die erstinstanzliche Kürzung und erkannte die tatsächlich angefallenen Honorare zu:

„Soweit das Landgericht diese Kosten nicht in voller Höhe, sondern nur bis zu einem Betrag von € 1.082,90 zugesprochen hat, da ein Steuerberater eine höhere als die gesetzliche Vergütung nur fordern könne, wenn eine entsprechende Vereinbarung mit dem Auftraggeber in Textform vorliege, führt die Berufung des Klägers zur Abänderung des angegriffenen Urteils.


Da die Beklagten auf die Berufung des Klägers nicht erwidert haben, ist auch das Vorbringen des Klägers als zugestanden zugrunde zu legen, dass auf Steuerstrafrecht spezialisierte Kanzleien regelmäßig nicht zu den gesetzlichen Gebühren abrechnen und die Mandatierung der XYZ Rechtsanwälte Steuerberater … mit dem Vorteil verbunden war, dass diese bereits zahlreiche weitere Anleger der MW Finance vertreten und sich deshalb nicht erst (kosten-)aufwendig in den Sachverhalt habe einarbeiten müssen. Es ist mithin davon auszugehen, dass die Beklagten zu 1. und 2. verpflichtet sind, dem Kläger die unstreitig von ihm beglichenen Rechtsanwaltshonorare zu erstatten.“

Fazit

Die Entscheidung des OLG Frankfurt erleichtert die Durchsetzung von Ansprüchen der Anleger erheblich:

  • Prozessual ist es deutlich weniger aufwendig, die Tatbestandsmerkmale des § 21 VermAnlG – also Prospektpflicht, fehlender Prospekt, Zeichnung innerhalb von zwei Jahren nach dem ersten öffentlichen Angebot sowie Höhe des Erwerbspreises – schlüssig vorzutragen, als das Vorliegen eines Schneeballsystems bzw. die Voraussetzungen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB nachzuweisen (gleichwohl waren wir bisher auch mit letzterem Ansatz für alle von uns vertretenen Anleger erfolgreich).
  • Der Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB ist auf das sogenannte negative Interesse gerichtet; der Anleger ist so zu stellen, als wäre das Geschäft nie zustande gekommen. Erfasst sind daher alle Einzahlungen des Anlegers abzüglich an ihn geflossener Auszahlungen, nicht hingegen die von MW gutgeschriebenen Gewinne.

Demgegenüber ist als Erwerbspreis der stillen Beteiligung – und damit maßgeblich für den Rückzahlungsanspruch nach § 21 VermAnlG – der (angebliche) Gesamtwert der belgischen Beteiligungen anzusetzen, der sowohl die Einzahlungen des Anlegers als auch die gutgeschriebenen Scheingewinne umfasst, jeweils abzüglich der an den Anleger geleisteten Auszahlungen.

  • Rechtsanwaltskosten für die Beauftragung auf Steuerstrafrecht spezialisierter Kanzleien zur Begleitung im Rahmen eines im Zusammenhang mit der Beteiligung eingeleiteten Steuerstrafverfahrens sind nicht nur in Höhe der gesetzlichen RVG-Gebühren zu ersetzen, sondern in der tatsächlich angefallenen Höhe, sofern substantiiert dargelegt werden kann, dass derartige Kanzleien regelmäßig nicht nach RVG abrechnen und ihre Einschaltung den Vorteil mit sich brachte, bereits zahlreiche weitere MW-Anleger zu vertreten und sich daher ohne kostenintensive Einarbeitung in den Sachverhalt auszukennen.

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